Einhundertsiebzig

Einhundertsiebzig Kilogramm.

So viel bringe Ich mittlerweile bei einer Körpergrösse von 168 cm auf die Waage. 1 KG pro cm also. 

Als Ich mich die Tage nach langer Zeit mal wieder gewogen habe (das letzte mal vor ein paar Wochen waren es noch ca. 161 KG) war das schon ein kleiner Schock. Ich meine, dass Ich zugenommen hatte wusste Ich, seit einigen Monaten muss Ich den Knopf an der Hose offen lassen. Zum Glück gibts Hosenträger.

Aber 170 KG. Das ist schon eine Hausnummer!

Gerade gestern hab Ich mit Peter telefoniert und wir glaubten uns zu erinnern dass Ich damals Anfang 2014 mit ca. 130 KG nach Dresden gezogen bin. 40 KG in sieben Jahren. Das ist schon was. 

Das Problem an der Sache ist eindeutig, das Ich aber absolut keine Lust habe an diesem Zustand etwas zu verändern (also im Sinne von abnehmen, nicht im Sinne von zunehmen. Das kann Ich mir schon vorstellen). Ich bin mittlerweile zu einem richtigen Frustfresser geworden. Vor allem seit man mich im März ins Homeoffice geschickt hat.

Vor allem wenn Ich mir auch ansehe welche Mengen Ich da täglich in mich hineinschaufele. Das kann z. B. mit dem Frühstück beginnen: 4 Scheiben Toast mit 200 g Leberwurst oder einer Packung Aufschnitt. Zum Mittagessen können es z. B. 4 Scheiben Toast mit je einer Scheibe Salami, einem Klecks Ketchup und einer Scheibe Käse überbacken sein. Oder es gibt vier Schwenksteaks mit Ketchup. Oder vier Frühlingsrollen. Oder eine Packung Chicken Nuggets mit ordentlich Mayo drauf. Am späten Nachmittag dann irgendwann 2 Packungen frittierte Mozzarellasticks. Und zum Abendessen so gegen 22 Uhr oder später? Suchen Sie sich was aus der Liste vom Mittagessen aus. 

Wenn Ich Nudeln koche dann immer eine ganze 500 g Packung, die dann auch komplett aufgegessen wird. Mal mit viel Öl und einer Packung Parmesan. Mal mit 2 Päckchen gebratenem Bauchlappen (der für die Suppe) und Tomatensauce. Oder wenn bei Kaufland der Zehnerpack Schnitzel im Angebot war hab Ich die an einem Tag auch schon mal auf Mittagessen, Abendessen und Mitternachtssnack verteilt bekommen. 

Dazu der ganze Süss- und Knabberkram den Ich seit Wochen in mich hineinstopfe. 

Nein, die Mengen die Ich da jeden Tag in mich reinschaufele sind wirklich nicht mehr feierlich. Manchmal ist das wie ein Zwang: letztens z. B. hatte Ich eigentlich Frühschicht, was bedeutet um 23 Uhr ins Bett damit Ich um 7 Uhr aufstehen kann. Stattdessen konnte Ich nicht schlafen und hab mir um 1 Uhr Nachts noch eine 500 g Packung Spätzle gekocht und verdrückt. Oder wie oft kam es in letzter Zeit vor dass Ich mir spät abends oder nachts noch einen 4-Scheiben-Toast-mit-Salami-Ketchup-Käse-Snack gemacht habe. 

Das müssen mehrere tausend Kalorien am Tag sein. Dazwischen noch ein 500 g Joghürtchen oder ein Tütchen Chips oder ein Päckchen Toffifee oder ein Familienpäckchen Gummibärchen. Nur um die Lücken zu stopfen. 

Nein, je länger Ich das nun beobachte umso mehr merke Ich dass das eindeutig ein pures Frustgefresse ist. Ich meine, das kenne Ich schon von vor dem Homeoffice aber mittlerweile hat das eindeutig Dimensionen angenommen die nicht mehr feierlich sind. Manchmal ist das regelrecht ein Zwang. Der Kopf schaltet jede Rationalität ab und es läuft nur noch “MUSS JETZT ESSEN! SOFORT!”. Das ist teilweise, Ich kenne das ja noch von früher vom Rauchen, wie eine Sucht. Ich kann dann in dem Moment nicht anders als irgend etwas zu essen, obwohl Ich es nicht will. Oft sogar habe Ich regelrecht das Gefühl von der letzten Mahlzeit sehr gut gesättigt zu sein und keinen Hunger zu haben, trotzdem muss Ich etwas essen. 

Doch in letzter Zeit kommt es immer öfter vor, dass Ich vom logischen Verständnis her, eigentlich satt sein müsste weil Ich vor 30 oder 60 Minuten gerade eine ordentliche Portion Zeugs in mich hineingestopft habe, mein Magen aber schon wieder signalisiert “HUNGER!”. Wie kann das sein dass man gleichzeitig ein Völlegefühl hat und doch Hunger verspürt?

Was mir ja auch mittlerweile zu schaffen macht sind die gesundheitlichen Probleme die Ich nun wirklich nicht mehr ignorieren kann. Ich habe letzte Woche Montag meiner Nachbarin geholfen einen neuen Fernseher aufzuhängen und anzuschliessen. Dazu musste Ich auf dem Boden herumkrabbeln und knien. Ich hatte danach über eine Woche Schmerzen im linken Knie. Oder wenn  Ich Treppen steige knacken die Kniegelenke bei jeder Stufe. Seit einigen Monaten habe Ich, keiner Ahnung woher, am Po und an den Oberschenkeln, da wo man drauf sitzt, nässende Wunden die immer wieder abheilen und neu entstehen. Keine Ahnung woher das kommt. Ich hab mich, wegen Corona, noch nicht getraut das mal von einem Arzt untersuchen zu lassen. Ich hab keine Lust mich im Corona-Hotspot Sachsen hier beim Hausarzt auch noch damit anzustecken. Mein Hausarzt hat mir ja vor zwei oder drei Jahren schon gesagt dass Ich diabetesgefährdet bin. Ob das zusammenhängen mag….?

Nunja, auf jeden Fall kann man sagen dass mir das Homeoffice den Rest gegeben hat. Nie zuvor habe Ich so viel über die Situation gegrübelt in der Ich stecke als im Moment. Mir kommen die fast sieben Jahre die Ich seit meinem Umzug nach Dresden im Februar 2014 nun zurückgelegt habe wie eine verschwendete Zeit vor. Der ursprüngliche Zweck, neben den Neustart, war ja umzuziehen um dem “alten Umfeld” zu entfliehen und in einer neuen Stadt neue Kontakte zu knüpfen und neue Freunde zu finden. Das hat null komma garnicht geklappt. Ausser meinen Arbeitskollegen kenne Ich hier in meiner neuen Heimat gar niemanden. Das mag sicher zum Grossteil an mir liegen, sicher aber auch zu einem gehörigen Teil an den Menschen hier. Ich werde mit der Mentalität des “gemeinen Sachsen” irgendwie nicht warm. Diese Distanziertheit, dieser allgegenwärtige (Alltags-)Rassismus, dieses andauernde “Früher war alles besser”…

Der Umstand dass meine Firma im Moment ja das grosse Rad dreht und dass meine Abteilung massiv umgebaut wird hat mich sogar dazu bewogen darüber nachzudenken wieder umzuziehen, sollte Ich gekündigt werden. Wieder in den Westen oder nach Berlin. Vielleicht Hamburg oder ins Ruhrgebiet. Der Plan ist im Moment ernsthaft meine Finanzen ein wenig in den Griff zu kriegen und ein paar Tausender beiseite zu schaffen um damit über kurz oder lang einen rundum-sorglos-Umzug finanziert zu bekommen. 

Nein, in letzter Zeit merke Ich immer öfter wie Ich in meiner Wohnung sitze und die Gedanken immer schwärzer werden. So langsam schleicht sich bei mir das Gefühl ein mein Leben mittlerweile derart vergeigt zu haben dass Ich die Hoffnung dass das nochmal besser wird eigentlich gleich begraben kann. Wenn Ich daran denke mit welcher Euphorie Ich damals 2014 an den Umzug gegangen bin… 

Damals™, als Ich noch Hoffnungen und Träume hatte. 

Und nun? Nun sitze Ich in einer verschimmelten Bude, arbeite im Homeoffice, weit weg von den Kollegen mit denen Ich mich eigentlich sehr gut verstehe, hab Bammel vor der nächsten unbezahlbaren Nebenkostenabrechnung und vor dem nächsten TÜV-Termin im kommenden Frühjahr. Das ist doch Scheisse!

Ich bin in den letzten Wochen permanent sowas von ausgebrannt dass Ich abends oft direkt nach Feierabend erst mal ein paar Stunden geschlafen habe. Dann wurde was gegessen, “ferngesehen” (respektive Youtube und Netflix geschaut denn Ich hab keinen Fernsehanschluss) und danach gings wieder ins Bett. 

Ich merke regelrecht wie mir die Energie aus dem Körper gesaugt wird. Den ganzen Tag ist man nur müde, müde müde…

All das ist ein in sich geschlossener sich selbst permanent verstärkender Teufelskreis: Depressive Gedanken haben- essen – davon müde werden – deswegen nicht aus der Wohnung gehen – davon depressive Gedanken bekommen – …

Das schlimme ist aber eigentlich dass Ich daran “eigentlich” nichts ändern will. Ich rede mir regelrecht ein “Ja, was hab Ich denn noch in meinem Leben ausser dem Essen?”. Ich hab keine Kohle, keine Freunde, eine scheiss Wohnung, usw. 

Soll es das etwa gewesen sein? Soll mit Anfang 30 das Ende der Fahnenstange in meinem Leben erreicht sein? Soll es jetzt nur noch bergab gehen?

Das kanns ja eigentlich nicht sein, oder…..?

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