Alles auf Pump…

Geschrieben am Nachmittag des 8.5.2020


Gerade habe Ich einen interessanten Artikel auf Spiegel Online gelesen: „Ohne Airbag in den Crash vom 4.5.2020.

Darin schreibt Ines Zöttl dass viele Amerikaner sehr hoch verschuldet haben um ein Haus zu kaufen, ein Auto zu kaufen oder zu leasen oder um Konsumgüter zu kaufen. 

Dort heisst es: “Die meisten Amerikaner haben Schulden statt Ersparnisse. Im Februar, kurz bevor die Pandemie die Wirtschaft lahmlegte, stieg das Volumen der Konsumentenkredite noch einmal kräftig um mehr als sechs Prozent. […] Insgesamt summieren sich die Hypotheken, Kreditkarten-Außenstände, Autofinanzierungen und Studienschulden auf mehr als 14 Billionen Dollar – ein Rekord.”

14 Billionen Dollar! Das macht bei ca. 320 Millionen Einwohnern Pi mal Daumen eine pro Kopf Verschuldung von ca. 43.000 €! 

Wahnsinn!

Weiter heisst es in dem Artikel: “Aber Experten warnen, dass ein wachsender Teil der Kredite für Alltagsausgaben oder Produkte draufgehe, deren Wert anders als der von Immobilien im Laufe der Zeit nicht steigt.” Bedeutet: Die Leute fahren vom Kreditgeld in Urlaub, machen ne Party oder kaufen sich ein neues Sofa und einen grossen Fernseher. 

Leider ist das kein neues Phänomen. Die USA sind nunmal eine der grössten Volkswirtschaften der Erde und haben leider ein System etabliert das gefühlt zu 100 % auf Krediten basiert. Man erinnere sich an die sogenannte “Subprime-Krise” 2008 als die Immobilienblase platzte weil unzählige Kredite an nicht kreditwürdige Menschen ausgeschüttet wurden.

Schon damals war es mir, relativ sparsam erzogenen Menschen, unverständlich wie das passieren konnte. In meiner Familie hiess es immer: Wenn du das Geld dazu hast dann kauf es dir, wenn nicht, dann lass es bleiben. Und daran halte Ich mich eigentlich bis heute. 

Seit damals mein Mitbewohner ausgezogen ist und Ich die Wohnung komplett übernommen habe ist es mein Plan das zweite Zimmer schön herzurichten und mir ein Wohnzimmer einzurichten. 

Dazu muss ein wenig renoviert werden, Farbe an die Wand oder eine schöne Holzverkleidung, es müssen viele, viele Regale für viele, viele Ordner, Werkzeug und anderen Krempel rein, ein Sofa und ein Computer sowie ein Fernseher zum dran anschliessen. 

Sehr weit bin Ich mit meinem Plan noch nicht gekommen. Ich habe damals ein Bett gebaut (so aus Holz und Schrauben und so weil billiger und stabiler als ein gekauftes Bett)  und einen Lattenrost und eine Matratze gekauft damit meine Mutter in Zukunft bei mir übernachten kann und keine Ferienwohnung mehr benötigt. Ausserdem habe Ich einen Esstisch gekauft (den Ich zwar hätte auch selber bauen können der mich aber wahrscheinlich für seine 100 € die er gekostet hat sicher auch begleiten wird bis Ich ins Gras beiße). Für weitere Anschaffungen fehlt mir im Moment leider das nötige Kleingeld. 

Ausserdem zahle Ich bis September noch einen Kredit für eine Autoreparatur aus dem letzten Jahr ab. 100 € im Monat. Das ist die einzigste Verschuldung die Ich mir “gönne”, ein Kredit über 1500 €, von dem 1200 € an meine Werkstatt und 300 € an meinen damaligen Dispo gingen, den Ich seitdem eigentlich auch nicht mehr in Anspruch nehme. Woher die 300 € Miese damals kamen weiss Ich gar nicht mehr, bis vor drei Jahren oder so hatte Ich gar keinen Dispo. 

Wenn dann ab September diese 100 € im Monat wegfallen kann Ich einen Dauerauftrag aufs Sparkonto einrichten und wenn dann genug zusammen gekommen ist damit ein Sofa, Regale und einen Fernseher kaufen. 

Als Ich damals den Kredit für die Werkstatt beantragt habe, Ich glaube Ich hab es damals auch hier erwähnt, hätte Ich bis zu 6.000 € oder so aufnehmen können. Oder waren es 8000? Ich weiss es gar nicht mehr genau. Keine Ahnung, jedenfalls eine Menge Geld. 

Davon war Ich regelrecht geschockt. Es kam mir komisch vor, dass mir meine Bank auf eine simple Online-Anfrage so ein Vertrauen schenkt, ohne sich ein Berater den Fall vorher angesehen hat. Die Summe wurde mir rein auf meinen Eingaben von Einkommen, Fixkosten wie Miete und den wirtschaftlichen Verhältnissen vorgeschlagen. 

Im Moment verdiene Ich ca. 1550 € Netto in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. 

Je länger man sich diese Finanzberichterstattung aus den USA ansieht um so mehr kommt man als Deutscher da ins Kopfschütteln hab Ich das Gefühl. 

Meine Eltern hatten in “jungen” Jahren auch Schulden gemacht um das Haus meiner Grosseltern zu sanieren und aufzustocken. Mein Vater war damals 38 Jahre alt, meine Mutter 27 als Sie 1985 geheiratet haben. Zwei Jahre später war Ich da. 

Dieser Kredit wurde Monat für Monat pünktlich abbezahlt bis der letzte Pfennig getilgt war. 

Oder meine Grosseltern mütterlicherseits. Die haben damals Anfang der sechziger Jahre ein Haus gekauft da die Familie sich zwischen 1958 und 1966 nach und nach von 2 auf 5 Personen vergrösserte. Ich weiss noch wie man mir immer erzählte dass man extra einen Kreditvertrag mit Sondertilgungsvereinbarung abgeschlossen hat. Mein Opa war Lagerist, meine Oma arbeitete in einem Milchladen. Am Wochenende hatten Sie die Garderobe des Theaters gepachtet und verdienten sich dort was dazu. Am Ende war der Kredit lange vor der vereinbarten Zeit getilgt. 

Kredite können sinnvoll sein wenn man etwas unvorhergesehenes bezahlen muss für das man aktuell kein Geld hat, so wie es mir ging als mein Auto in die Werkstatt musste. Oder wenn mein Auto nun ganz den Geist aufgeben würde und Ich ein neues bräuchte weil Ich ansonsten gar nicht zur Arbeit käme. Wobei, das ginge noch, Ich bin ja jahrelang auch ohne Auto hingekommen. Das hat zwar über eine Stunde mehr Zeit und einen ordentlichen Fussweg gebraucht, aber es ging. 

Doch wenn Ich mir ein “neues” Auto kaufen würde wäre es sehr wahrscheinlich wieder ein gebrauchtes aus der “vier-bis-fünf-tausend-Euro-Klasse”. 

Ein mahnendes Beispiel ist mir was das angeht immer noch der Exmann einer Freundin meiner Mutter. Der hatte sich vor einigen Jahren einen Mercedes für 50.000 € gekauft der dann vor Ablauf der Ratenzahlung ein wirtschaftlicher Totalschaden war da eine “Verschleissreparatur” so teuer geworden wäre dass es sich nicht mehr gelohnt hätte das zu reparieren. Wie blöd ist das denn bitte? Und warum hatte er einen Mercedes gekauft? Weil alle seine Arbeitskollegen auch einen hatten. Und was hat er dann gemacht? Klar, sich einen neuen, diesmal kleineren Mercedes gekauft. Wieder auf Kredit. Vor so viel Blödheit bekomme Ich Kopfschmerzen!

Wie sehr das in den USA auch in den Alltag eingesickert ist mit diesem Leben auf Pump sieht man auch in der Unterhaltung. Mir ist eine Szene aus der Serie King of Queens in Erinnerung in der der Protagonist Doug sich einen x-tausend-Dollar teuren Neuwagen kauft obwohl seine Firma gerade bestreikt wird und er mit Verdienstausfall rechnen muss. Da muss Ich mir jedesmal an den Kopf greifen wenn Ich mir diese Folge ansehe. 

Das Problem ist ja aber meiner Meinung nach dass es einem, in den USA wohl noch mehr als in Deutschland, viel zu einfach gemacht wird sich zu verschulden. Man scheint ja dort nicht als normal zu gelten wenn man keine Schulden hat. Das Haus, das Auto, die Kreditkarte…

Überhaupt: Das amerikanische Modell der sogenannten “revolvierenden Kreditkarten”. Die Kredit-Karte heisst ja Kredit-Karte weil das Grundmodell dieses ist dass die die Kreditkartenfirma einem einen Kreditrahmen gibt in dem man Ausgaben tätigen kann und die man dann in Raten zurückzahlt. Was für ein Unsinn!

Das bedeutet für mich mal bildlich gesprochen dass Ich um einen Beutel Milch im Supermarkt zu kaufen mit meiner Bank einen Kreditvertrag abschliesse. Und dafür Zinsen zahle! 

Das muss man nicht verstehen. 

Bei uns zu Hause hiess es wie gesagt immer: Wenn man kein Geld hat kann man auch keins ausgeben!

Vielleicht bin aber auch Ich mittlerweile der Idiot, der meint wenn man in Urlaub fahren oder sich ein Sofa kaufen will müsse man dafür Geld ansparen. Wer weiss…

Leave a Comment

Filed under Gedanken

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.