Abschied und Wiedersehen

Abschied

Ich bin gerade eben nach Hause gekommen. Ein aller letztes mal war Ich im Haus meines Opas.

Morgen haben wir leider endlich den Notartermin. 

Ja, leider endlich.

Endlich, weil nun anderthalb Jahre Hickhack und Stress und Papierkrieg und Familienstreitigkeiten zu Ende zu gehen scheinen.

Leider, weil es wohl das aller, aller letzte mal gewesen sein wird, dass Ich in diesem Haus gewesen bin.

Ich war ja noch nie ein Mensch, dem es leicht gefallen ist loszulassen. Deswegen habe Ich auch im Hausflur meiner Mutter 40 Kisten mir Opas Büchern stehen. Zusätzlich zu den 20 anderen Kisten an “Plunder” die Ich aus dem Haus geholt und bei meiner Mutter hier im Haus eingelagert habe. 

Und morgen soll das nun alles vorbei sein.

Ich muss zugeben, dass Ich vorhin wieder ein paar Tränen in den Augen hatte, als Ich das aller letzte mal die Haustüre hinter mir zugezogen und abgeschlossen habe. 

Schluss. Aus. Ende. Vorbei.

Endgültig.

Endgültig. Das klingt so… endgültig, so wie Ende für immer…

Ist es ja auch.

“Dies Haus ist mein und doch nicht mein. Nach mir kommt ein Andrer rein. Ist auch nicht sein.”

Das ist ein Spruch, den mein Opa auf einem bestickten Spruchband im ausgebauten Dachboden hängen hatte. Den hat er irgend wann einmal in Otterberg, einer Nachbarstadt von Kaiserslautern “geklaut”. Dort gibt es nämlich das 1617 erbaute Haus “Galecki” in der Mühlstraße und dort steht an einem Fachwerkbalken vorne gen Straße: “Dies Haus ist mein u. doch nicht mein, nach mir kommt ein andrer hinein u. diesem wird es auch nicht sein!”

Nunja, so ist es wohl nun auch mit diesem, Opas Haus, so soll es wohl sein. 

Dann wird morgen eben der Sack zugemacht.

Endgültig…

 

***

 

Wiedersehen

Eine Freundin meiner Mutter, die hier im Ort wohnt bat mich dieser Tage, ob Ich vielleicht am Mittwoch Abend mal bei Ihr vorbeischauen könne, ich hätte Ihr doch vor ein paar Wochen versprochen, die Türklinke an Ihrer Schlafzimmertür zu reparieren. Dort war die Madenschraube verloren gegangen und wenn man nun nicht aufpasste, hatte man die ganze Klinke in der Hand.

Etwas peinlich berührt, fiel mir da ein, dass Ich das schon vor mehreren Wochen versprochen hatte zu richten.

Mittwoch also.

Ich düste nach Feierabend in den Baumarkt, besorgte die Madenschraube und fuhr hin.

Nach einer Minute war der Käse gegessen.

Danach fragte Sie mich, ob Ich noch ein wenig Zeit hatte. Ich bejahte und bekam einen Kaffee.

Als wir zusammen am Küchentisch saßen, überreichte Sie mir einen Umschlag. Darin waren ein an mich gerichteter Brief und ein Testament von meiner Tante, der jüngeren Schwester meines Vaters, zu der Ich und meine Mutter seit dreizehn Jahren keinen Kontakt mehr hatten.

Dreizehn Jahre. Meine Güte, wie die Zeit vergeht.

Ich wusste, dass diese Freundin meiner Mutter noch immer Kontakt mit meiner Tante hatte, waren Sie doch beide gleichalt und kamen beide gebürtig hier aus unserem Dorf. 

Ich weiss nicht ob Ich es hier im Blog irgendwann schon einmal geschrieben habe, wie es zu dem Zerwürfnis mit meiner Tante kam.

Egal, Ich erzähle es gerne noch einmal. 

Als mein Vater im September 2009 gestorben ist, hatten uns, also mir und meiner Mutter, die beiden Schwestern meines Vaters sehr viel geholfen, was den ganzen Papierkram anging, des es da so zu regeln gab. 

Bis zum Tod meines Vaters hatten weder Ich noch meine Mutter uns je um irgendwelche “Sachen” gekümmert, die da so anfallen, wie z. B. Versicherungen, Steuererklärungen, Rechnungen, Krankenkasse (viel Papierkram, da mein Vater als Beamter privat versichert sein musste und als Beihilfeberechtigter alles immer 2 x einreichen musste: Einmal bei der Krankenkasse und einmal bei der Beihilfestelle), usw. Meine Mutter wusste damals mit 51 Jahren nicht mal, wie man eine Banküberweisung ausgefüllt, weil Sie es nie machen musste. 

Als mein Vater dann von einem auf den anderen Tag nicht mehr da war standen wir da wie der Ochse vor dem Berg und wussten nicht was da zu tun ist. 

Meine beiden Tanten, die ältere ist verheiratet mit einem Mann der oft auf Montage war, so dass Sie sich zu Hause also seit jeher um den “Papierkram” kümmern musste, und die jüngere seit jeher alleinstehend, waren uns da in der Zeit eine sehr große Hilfe.

An irgend einem Tag Anfang 2010 oder so muss das gewesen sein, wollte die jüngere Schwester meines Vaters also zu uns auf Besuch kommen. Ich wunderte mich an dem Tag irgendwann, warum denn niemand kam und ging zu meiner Mutter um nachzufragen. Dort hiess es dann, meine Tante sei schon da gewesen, habe urplötzlich einen Streit angefangen und sei dann wütend wieder gegangen.

Seit dem Tag vor nun gut dreizehn Jahren habe Ich nie wieder etwas von meiner Tante gehört.

Und nun urplötzlich dieser Brief. 

In dem Brief bedauerte Sie dass Ich mich nie wieder bei Ihr gemeldet habe. Wenn Ich so recht darüber nachdenke, dann weiss Ich auch nicht so genau, warum Ich das nicht getan habe. Es ist nicht so, dass meine Mutter es mir “verboten” hätte, doch hat Sie, auch als wir noch Kontakt zu meiner Tante hatten, eigentlich nie ein gutes Haar an Ihr gelassen. Sie sei verbittert weil Sie nie einen Mann bekommen hätte, sei immer unzufrieden, würde nur meckern usw. Teilweise mag das gestimmt haben, doch so schlimm fand Ich das nun eigentlich nicht. Ich kann mir im Nachhinein aber auch nach nun über 13 Jahren darüber kein Bild mehr machen, dazu ist das alles zu lange her. 

Ich muss mir hier wohl ankreiden lassen, mich vielleicht durch meine Mutter so habe manipulieren lassen, dass Ich mir kein eigenes Bild der Lage gemacht habe. Seit dem Tag an dem meine Mutter mit meiner Tante gestritten haben, hab Ich sie nie wieder gesehen und bis heute Abend auch kein einziges Wort mehr mit Ihr gewechselt.

Ich habe Ihr in meiner Antwort E-Mail auch geschrieben, dass Ich mir das ankreiden lassen muss, damals nicht zumindest beide Seiten angehört zu haben, so wie es eigentlich meinem Wesen entspricht. 

Der Grund warum Sie sich nun bei mir gemeldet hatte ist, dass Sie im Herbst 2021 zwei Herz OPs hatte, von denen Sie bis heute nicht wieder ganz genesen ist. 

Es fällt Ihr schwer den Haushalt zu managen, die Energie ist nicht mehr so da wie früher, usw. Ein wenig hatte Ich beim lesen des Briefs den Eindruck, dass mir hier jemand schreibt, der Angst hat dass es zu Ende geht. 

Sie sprach in dem Brief von einer Bankvollmacht für mich, Haushaltsauflösung, Vorsorgevollmacht und ein Testament, das mich als Alleinerbe einsetzt lag auch schon direkt dabei. 

Ui, ui, ui, dachte Ich da nur…

Ich setzte mich alsdann gestern Abend gleich an den Computer und schrieb Ihr eine lange Antwort Mail zurück. 

Ich schrieb, dass ich mich sehr über Ihren Brief gefreut hätte, da Ich mir eingestehen muss, dass Ich nicht die Eier in der Hose hatte von meiner Seite aus das Schweigen zu brechen. Wenn Ich ehrlich bin, dann weiss Ich heute nicht mehr, warum Ich mich nie wieder bei meiner Tante gemeldet habe. Ich schrieb Ihr, dass meine heutige Vermutung sei, dass es mich ein wenig störte, dass Sie damals immer versucht habe mich zu einem besseren Menschen zu machen (abnehmen, Sport machen, was ordentliches lernen usw.). In unserem Telefonat heute meinte Sie dass Sie das so nicht erinnere, dass das eher Ihre Schwester gewesen sei, die sich so verhalten habe. Ich muss ehrlich sein und zugeben: Ich weiss es nicht mehr, dazu ist das alles viel zu lange her. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern. 

Der andere Teil ist wohl auch meiner Mutter geschuldet, bei der ich nicht den Eindruck hatte, dass es sie sehr traurig gestimmt hat, dass wir zu meiner Tante keinen Kontakt mehr hatten. Meine Mutter hatte an Ihr immer etwas auszusetzen: Sie sei zu wählerisch, Ihr könne man nichts recht machen, sie sei komisch, launisch, unzufrieden mit sich selbst und Ihrem Leben usw. In wieweit das gestimmt haben soll mag Ich mir kein Urteil erlauben. Es stimmt, dass meine Tante so lange Ich sie kenne keine Beziehung hatte, zumindest keine die mir bekannt ist. Über die Gründe dahinter kann Ich nur spekulieren, was Ich aber nicht tun will. Daran alleine aber festzumachen, jemand sei unglücklich, weil er keinen Partner habe, so wie meine Mutter es immer getan hat, halte Ich aber für gewagt. Man kann den Leuten eben nicht in den Kopf schauen. 

Wenn Ich ehrlich sein soll, lag ein Teil der Gründe dafür dass Ich keinen Kontakt mehr zu meiner Tante gesucht habe auch darin, dass meine Mutter mir unterschwellig erfolgreich eingeredet hat “wir sind ja nicht die, die komisch sind, sondern deine Tante”. Heute sehe Ich das ein wenig anders. 

Ich habe mich nun vor einiger Zeit sehr lange und sehr ausführlich mit zwei sehr langjährigen Freundinnen meiner Mutter unterhalten, die mir beide so ein wenig Ihre Sicht auf meine Mutter mitgeteilt haben und wenn Ich ehrlich zu mir selber bin, dann muss Ich zugeben dass Sie beide recht haben: Meine Mutter ist manchmal auch komisch in Ihrer Art. Sie ist oft sehr direkt und wenig diplomatisch, was Sie auch offen zugibt aber eher als eine Stärke denn als ein Makel sieht. Sie hat manchmal so ein richtiges Talent andere Leute derart vor den Kopf zu stossen, dass man sich nur wundern kann. Diplomatie war leider noch nie Ihre Stärke. Daher auch meine Vermutung, in Unkenntnis was damals wirklich passiert ist, dass Sie an dem Streit mit meiner Tante nicht ganz unschuldig war. 

Ich erlebe da manchmal so kopfschüttel-Momente mit meiner Mutter, mann wenn Ich euch davon hier berichten könnte, Ihr würdet mit den Ohren schlackern…

Ja, nachdem dann der Kontakt abgebrochen war, hab Ich mir da dann eigentlich nie grosse Gedanken drum gemacht, ob das eigentlich so OK ist. Denn Ich war ja, so die Ansicht meiner Mutter, auf der “guten” Seite. 

Es folgten meine Umschulung 2011 / 2012, der Umzug nach Dresden im Februar 2014 und so weiter. 

Ich war dann ja meistens in den kommenden Jahren nur zwei-, oft sogar nur einmal im Jahr in Kaiserslautern auf Besuch. An meine Tante dachte Ich ab und an, aber auf die Idee Sie mal anzurufen kam Ich nie. Warum, das weiss Ich bis heute nicht, wenn Ich ehrlich bin. 

Es war halt normal geworden, dass wir zu Ihr keinen Kontakt hatten. Und ausserdem hätte Sie sich je auch mal melden können, so der Tenor meiner Mutter. 

Nunja. Kann man so sehen, muss man aber nicht.

Wenn Ich ehrlich bin, habe Ich den Gedanken, dass Ich mich vielleicht mal bei meiner Tante melden sollte immer verdrängt. Wie gesagt, es stellte sich über die Jahre so eine Art „Normalität des Nichtkontakts” ein, Ich kann das schwe in Worte fassen.

Meine Tante wollte mir dann auf meine Mail von gestern Abend eine Antwort Mail schreiben, da gab es wohl aber ein Problem. Die Mail ging nicht zu mir durch. 

Ich hatte zwar in meiner Antwort Mail meine Telefonnummer dazu geschrieben, doch anstatt dass mich meine Tante direkt anrief, meldete Sie sich telefonisch bei der Freundin, der Sie den Brief an mich übergeben hatte, die meldete sich dann ebenfalls telefonisch bei mir und mir wurde ausgerichtet, ob Ich denn heute Abend vielleicht mal meine Tante anrufen könne.

Klingt kompliziert, weiss Ich, ist es auch. Man könnte jetzt hinterfragen, warum meine Tante mich nicht direkt selber angerufen hat, bringt aber nix. Manche Sachen ergeben für einem selber manchmal einfach keinen Sinn. Der andere wird sich im Zweifel schon was dabei gedacht haben, wenn er so gehandelt hat wie er gehandelt hat. So viel Lebenserfahrung hab Ich in meinen nun immerhin schon 35 Lebensjahren sammeln dürfen, dass Ich weiss, dass es Dinge gibt, bei denen nix gescheites bei raus kommt, wenn man Sie hinterfragt und es daher besser direkt sein lässt.

Man muss die Menschen nehmen wie sie sind, es gibt keine anderen, hätte mein Opa hier vielleicht nun gesagt…

Wir hatten ausgemacht, dass Ich mich nach 18 Uhr melde, wenn Ich Feierabend habe. Da mein Chef mir aber kurzfristig anbot, doch statt um 18 Uhr schon um 16 Uhr Feierabend zu machen (zu wenig Arbeit da und zu viele Überstunden auf der Stechuhr) sagte Ich nicht nein und hatte so schon früher Zeit. 

Ich fuhr mit dem Auto, wie oben beschrieben ein aller letztes mal zum Haus meines Opas, auch um dort noch einen Teppich, einen Balkontisch und zwei Gartenstühle abzuholen. Der wirklich allerletzte Rest.

Ich setzte mich also auf die Terrasse, steckte mir eine Pfeife an und klingelte bei meiner Tante durch.

Gut eine Stunde haben wir telefoniert. Wir sprachen über Ihre Krankheit (neue Herzklappe), darüber dass Sie kaum noch in der Lage ist Ihren Haushalt zu machen, dass Sie die Hausarbeit die Sie früher in einer Stunde gemacht hat heute gerade mal so an einem Tag schafft, usw. Ich war froh, noch einmal ein paar Dinge aus meiner Antwortmail aufgreifen zu können. Im direkten Gespräch ist das oft einfacher als in schriftlicher Form. Einer der Gründe warum Ich es hasse wenn man WhatsApp für mehr benutzt als “wenn du einkaufen gehst bring XY mit!”. 

Auch sprachen wir über die Gründe, warum Ich mich nicht gemeldet habe, bzw. warum auch Sie nicht. 

Jedenfalls haben wir uns nun für den kommenden Donnerstag verabredet und wollen uns da in einem Restaurant zum essen treffen. Etwas überrascht war Ich als Sie mir sagte, dass Sie sich nun schon seit gut 10 Jahren vegetarisch / vegan ernährt. Hätte Ich Ihr nicht zugetraut. 

Ich bin nun jedenfalls sehr gespannt auf dieses Treffen.

Mal sehen was der Abend so ergibt…

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