Ein Ausflug in die Vergangenheit

Ja, heute hab Ich, wie jeden Wochentag, bis 18 Uhr gearbeitet. 

Danach hatte Ich irgendwie „Hummeln im Hintern“, um es mit den Worten von Carrie Heffernan zu sagen. Ich musste einfach mal ein wenig raus, den Kopf frei kriegen und mal ein bisschen durchatmen.

Also ging es ab unter die Dusche und rein ins Auto.

Ich machte mich auf den Weg gen Industriegebiet und wollte von dort aus an den Bahnhof zu Subway fahren, da Ich mal wieder Lust auf ein leckeres Sandwich hatte.

Leider sah Ich beim ergoogeln der Öffnungszeiten dass der Subway am Hauptbahnhof anscheinend dauerhaft geschlossen hat. Mist!

Die Subway App spuckte mir als nächstgelegenen offenen Laden eine Tankstelle in Konken bei Kusel aus, ca. 35 km von Kaiserslautern entfernt. 

So ging es also auf die Landstrasse, vorbei an Weilerbach, Reichenbach-Steegen, Oberstaufenbach, Neunkirchen, Theisbergsteegen, Etschberg, und Schellweiler. 

An einer Araltanke fand Ich den heiss ersehnten Subway.

Nach getaner Stärkung schaute Ich auf Google Maps und fand heraus dass Ich überraschenderweise ganz in der Nähe des Potzbergs war.

Da dachte Ich mit: Na, da könnten wir doch mal einen Abstecher hin machen!

Gesagt, getan!

Durch den schönen Pfälzer Wald ging es hinauf auf den „König des Westrichs“.

Doch warum zog es mich dort hin?

Nun, weil Ich im Spätsommer / Frühherbst 2004 dort mal drei Monate lang eine Ausbildung zum Koch angefangen und nicht beendet habe. 

Ich hatte damals verzweifelt einen Ausbildungsplatz gesucht, hatte zuerst Landschaftsgärtner lernen wollen (Zu anstrengend), dann vielleicht Bäcker (Die Arbeitszeiten) und blieb schliesslich irgendwie beim Koch hängen. Das war rückblickend alles in allem so ein „Ich weiss nicht was Ich lernen soll und weil Ich gerne esse lerne Ich Koch“-Ding.

Nach gefühlt hunderten Bewerbungen die Ich in die ganze Pfalz und ins angrenzende Saarland verschickt hatte bekam Ich dann irgendwann eine Zusage vom „Turm-Hotel“ auf dem Potzberg. 

Das ehemalige Turm-Hotel

Da dieses Hotel derart weit ab vom Schuss liegt (man könnte sagen am Arsch der Welt), Ich damals gerade erst in der Führerscheinausbildung war und kein Auto hatte nahm Ich das Angebot an dort im Hotel auch ein Personalzimmer zu beziehen. 

Ich hatte von Anfang an keinen leichten Stand in dem Beruf. 

Mein schlechtes Kurzzeitgedächtnis war so mit das Haupt-Ding das mir in dem Beruf das Genick gebrochen hat. Wenn du Koch in so einem Ausflugslokal mit täglich hunderten von Gästen bist, brauchst du einfach ein sehr gutes Gedächtnis und eine sehr schnelle Auffassungsgabe.

Potzbergturm

Wenn der Chef dann da am Pass (die Durchreiche ins Lokal von wo aus das Essen in den Gastraum geht) einen neuen Tisch ansagt (z. B.: „Tisch 3 neu: Einmal Hubertuspfanne, einmal Käsespätzle, einmal Rumpsteak, Bratkartoffeln medium!“ usw.) dann musst du dir das in Sekundenschnelle merken, denn die Ansage kommt nur einmal! Danach musst du die Sachen die deinen „Posten“ (Fleisch/Fisch/Saucen, Beilagen/Gemüse, Salate/Desserts, usw.) für diesen Tisch betreffen richten und wenn der Chef am Pass dann abruft („Wir schicken Tisch 3: Einmal Hubertuspfanne, einmal Käsespätzle, einmal Rumpsteak, Bratkartoffeln medium!“) dass muss das alles fertig sein und von nach vorne zum anrichten gebracht werden. Wenn man dann da 10 oder 20 „offene Tische“ (also Tische an denen Menschen sitzen die auf Ihr Essen warten) hat, ist das schon eine „kleine“ gedankliche Herausforderung. Dort war es zumindest so, so glaube Ich mich zu erinnern, dass der Bondrucker eine Rolle mit Durchschlag hatte, d. h. er die Bestellungen immer 2 x ausdruckte. Ein Zettel hing am Pass / Fleischposten beim Chef einer am Beilagenposten. So hatte man wenigstens noch eine kleine Sicherheit bzw. einen Spickzettel bei dem man mal nachsehen kann was man alles richten muss. In den Restaurants in denen Ich später gearbeitet habe, gab es das nicht mehr. Dennoch: Geholfen hat es mir kaum: Ich kam einfach nicht hinterher. Das lag nicht nur daran dass Ich mir die Bestellungen nicht merken konnte sondern auch daran, dass Ich mir bei der riesigen Speisekarte nicht merken konnte welche Beilage zu welchem Gericht kommt. Nach meinen drei Monaten Probezeit (und dem Ende der Sommersaison in der das Hotel das direkt neben einem Wildpark lag seinen Hauptumsatz gemacht hat) wurde Ich entlassen. Ich versuchte mich dann noch damit herauszureden dass der das ja jedes Jahr so mache, also vor der Saison billige Azubis einstellen und nach der Saison wieder feuern, aber ob das stimmte weiss Ich bis heute nicht. Ich suchte mir dann eine andere Stelle in Kaiserslautern wo Ich immerhin zweieinhalb Jahre durchhielt und zwei Kündigungen „überlebte“ (Versuch mal einen Azubi nach der Probezeit rauszuschmeissen. Das kriegste in Deutschland nur hin wenn er dir die silbernen Löffel geklaut hat). Von dem Laden muss Ich hier auch irgendwann mal berichten. Gegen Ende meiner dreijährigen Lehrzeit verliess Ich das Lokal dort dann auch und bekam eine dritte Stelle, bei der Ich meine „Träume“ davon Koch zu lernen dann endgültig begrub und wo Ich dann so lange als Küchenhilfe weitergearbeitet habe bis Ich zum Zivildienst musste. Das war auch der erste Laden der mir nicht nur sagte (so wie die anderen beiden zuvor auch) Ich solle das mit dem Koch sein lassen, sondern auch mir einigermassen verständlich klar machte warum er das so sieht. 

Es war aber auch so ein Wahnsinn was die an Essen aus dieser kleinen Butze von Küche in diesem Turm-Hotel jeden Tag rausgeschickt haben. Da sind dann, wenn es heiss her ging, 3 Köche, vier Azubis und eine Spülkraft in einer 30 m² Küche herumgehüpft (wobei die Laufflächen wegen der vielen Herde, Öfen, Geräte und Arbeitstische weniger als 15 m² betragen haben muss). 

Leider muss man aber auch sagen, dass die Qualität des Essens auch dementsprechend war. 

Das Fleisch war manchmal nicht mehr das aller frischeste, das gefrorene Gemüse wurde im Kombidämpfer „totgegart“ und danach im Kühlschrank in Wasser eingelegt (???) um es dann anschliessend mit einer Mikrowelle ein zweites mal zu töten bevor es auf den Teller kam (Bloss nicht salzen oder würzen!!!). So gut wie alle Sättigungsbeilagen (Rösti, Kartoffelklösse, Semmelknödel, Macaire-Kartoffeln usw.) kamen aus der Trockenpackung oder aus dem Froster. Der Rotkohl  aus der Dose (Dose auf, Rotkohl in die Mikrowelle und ab auf den Teller. Auch hier: Bloss nicht würzen oder abschmecken!!!) und so weiter und so fort. 

Desserts aus der Packung oder der Froste, Salatsaucen aus dem Eimer. Das einzigste was wir selber gemacht hatten war der Karotten-, der Rotkohl-, und der Weisskohlsalat (in einer total versifften flotten Lotte in einem seit Jahren ungeputzten Abstellraum) . Ach ja und der „Bohnen-Mais-Salat“ (je eine Dose Mais und Kidneybohnen aufmachen und mit Salz, Pfeffer, Essig und Öl abschmecken). 

Nein, das war alles aber kein „kochen“ was die da veranstaltet haben. Dass der Laden dennoch ging, hatte wohl damit zu tun dass das da im Sommer viele „einmal und nie wieder“ Touristen kamen, die eigentlich nebenan in den Wildpark wollten und dann so einen „wenn wir schon mal da sind können wir auch gleich hier essen“-Besuch bei uns machten. Im Winter hielt man sich dann mit Weihnachtsfeiern, Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und dem ab und an stattfindenden „Rittermahl“ (Lätzchen anziehen und Wildschweinkeule mit den Händen essen) über Wasser. 

Wie eben schon beschrieben war es zudem auch nicht die sauberste Küche. Die Geräte, die Einrichtung und einfach alles dort war uralt, die Küche hatte viele „Gammel-Ecken“ weil der Fliesenboden ausgerechnet in den Ecken in denen Tische oder Geräte standen nach hinten zur Wand hin Gefälle hatte und sich dort das Schmutzwasser sammelte, usw. 

Erschwerend hinzu kam noch dass Ich dort neben dem eh schon miesen Lohn (Ich meine mich zu erinnern dass die Brutto Staffelung für Köche in der Ausbildung damals 450 € im ersten, 500 € im zweiten und 560 € im dritten Lehrjahr war) auch noch jeden Monat 100 € für sogenanntes „Personalessen“ abdrücken musste („Vergammelte Reste von vor irgendwann“.  Wenn du und der Chef die einzigen vom Personal sind die was davon essen hast du etwas entscheidendes nicht mitbekommen!) und mir auch noch Ich glaube 100 € für ein ca. 12 m² Zimmer mit doppelter Dachschräge (Eckzimmer unter dem Dach) berechnet wurde – das Ich mir auch noch mit einem anderen Azubi teilen musste(!) der dafür DAS SELBE (!) bezahlt hat! So blieben am Ende von meinem Lohn Ich glaube netto um die 150 € oder so übrig. Ich hab die Lohnabrechnungen gerade nicht greifbar, sie stehen in Dresden. Ausserdem war dieser Kerl mit dem Ich mir das Zimmer teilte ein ziemlicher Stinkstiefel der nicht viel in der Birne hatte. Da gab es dann auch andauernd Krach so dass wir sogar mehrmals zum Chef mussten weil wir uns nicht einig wurden wer nun was verdreckt hat und wer nun was zu putzen hatte usw. Leider war er auch noch der bessere Arschkriecher als Ich…

Ja, nach meinem Rauswurf war Ich dann noch einmal dort essen gewesen. Ich hatte in der Zeit in der Ich dort gearbeitet hatte bereits einen Tisch reserviert für einen Verein in dem mein Vater Mitglied war und der seinen Sommerausflug in den eben genannten Wildpark machen wollte. Das war gelinde gesagt eine totale Katastrophe! Ich hatte, Ich weiss es noch, als wäre es erst gestern gewesen, ein total versalzenes Hirschsteak mit matschigem Brokkoli und auch das was die anderen hatten war der reinste Mist. Schrecklich!

Das war dann auch das letzte mal dass Ich dort war. Irgendwann hab Ich mal gehört dass der Inhaber Pleite gemacht haben soll (so ein Wunder!) und seitdem scheint das Hotel leerzustehen. Im Internet habe Ich nun gelesen dass eine Frau aus der Gegend das Ding vor ein paar Jahren gekauft hat, leider wohl ohne rechtes Nutzungskonzept, denn das Lokal und das Hotel haben nie wieder geöffnet. Nur den Veranstaltungssaal konnte man mieten. Mittlerweile wohnen Flüchtlinge aus der Ukraine in dem Hotel. 

Nach einem Pfeifchen auf dem Parkplatz fuhr Ich wieder nach Hause. 

Ja, soweit meine kleine Reise in die Vergangenheit…

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Filed under Ausflüge, Erinnerungen

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