Meine Zivildienstzeit

Ja, das war eine Zeit. Damals, 2008 / 2009.

Das ganze ging von September 2008 bis Mai 2009.

Ich hatte damals einige Bewerbungen losgehauen und war schlussendlich beim Malteser Hilfsdienst in Kaiserslautern untergekommen. Da hatte Ich mich auf die Stelle als Essen-auf-Rädern-Fahrer und Hausnotruf-Rundum-sorglos-Mann beworben und Oh Wunder, es klappte.

Pünktlich zum 1.9.2008 morgends um 8 Uhr gings los. Mit warten, denn um 9 Uhr gabs erstmal Frühstück. Jeden Tag. Ohne Aussnahme. Immer abwechselnd wurden Brötchen geholt, immer mal wieder bezahlte ein Anderer, bei Käse, Wurst und Butter wurde zusammengeschmissen.

Montags und Donnerstags wurde Essen ausgefahren, den Rest der Woche vertrödelte man mit Hausnotrufgeschichten oder Telefondiesten.

Aber eines nach dem anderen.

Am Anfang wusste so die ersten ein Zwei Wochen keiner was mit mir anzufangen was mich dazu brachte mir, wie die anderen auch, meinen Läppi mitzunehmen und den ganzen Tag Filme zu gucken oder sonst was unsinniges zu treiben. Mann was hatte Ich da Zeit zum lesen. Manchmal konnte es vorkommen dass man den ganzen Tag von 8 – 5 absolut garnichts zu tun hatte. Das konnte sich ziehen wie Kaugummi.

Als erstes wurde Ich am Telefon eingearbeitet. Dazu hatten wir eine „Telefonzentrale“ oder auch „Muffelpuff“ genannt. Darin standen zwei Telefone und ein uralter Win 98 Rechner. Wenn also Anrufe kamen musste man diese disponieren, d. h. entweder nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft geben, oder weitervermitteln. Ein großer Teil bestand daraus, Fahren für den Krankentransport anzunehmen und zu disponieren. Saukompliziert, weil absolut kein System dahinter.

Normalerweise fahren Rettungswagen oder Krankentransportwagen über die so genannte Rettungsleitstelle. Diese nimmt Notrufe oder Aufträge führ Krankenfahrten an und disponiert diese. Leider hatte sich unser Chef mit eben dieser Leitstelle in Kaiserslautern zerstritten so dass wir das „normale“ Tagesgeschäft ohne abwickelten. Nur wenn man einen Patienten im Tranport hatte dessen Zustand sich so verschlechtert hatte dass er schnell ins Krankenhaus musste und man Sodersignalerlaubnis brauchte (Blinkenlicht oder Tatütata) musste man sich von der Leitstelle per Funk die Genehmigung holen.

Ja, das Problem an der Sache war dass wir allgemein zu wenig Personal hatten als dass man einen Festen Disponenten für diese Fahrten hatte. Das bedeutete dass andauernd irgendwie was schief ging. Fahrt vergessen, Falsch gefahren, nicht gefunden usw. Normalerweise machte das jemand der dort ehrenamtlich tätig war, das aber nicht ständig, da er aufgrund seiner Qualifikation als Rettungsassistent auch öfter mal eine Fahrt machen musste. So machte das die meiste Zeit irgendeiner nebenher, oder aber Ich, der es nicht geschafft hat in 9 Monaten das System aus Listen Zetteln, Vorbestellungen und Terminen zu blicken, denn: Das lief alles ANALOG so richtig mit Stift und Papier! Ja, das war eine Gaudi. Die Statusmeldungen kamen Per Handy vom Auto rein, genauso wurden die Fahrten verteilt. Wenn Ich darüber nachdenke was da laufend alles schief lief, oh Gott!

Auch die Dienststelle war klasse. Ein riesen Assihochhaus mit Geschäftsräumen unten drin und angeschlossenem Parkplatz. Was da Gestalten wohnten! Wie oft waren die Autos beschädigt usw. Oder unsere Raucher Terrasse. Die war nur zur Hälfte betretbar. Auf der Anderen Hälfte musste man damit rechnen volle Windeln, Sperrmüll oder anderen Unrat aufs Dach zu bekommen weil die Leute alles aus den Fenstern schmissen. Da lag mehr als einmal eine Couchgarnitur morgends im Hof!

Ja, ein anderer Teil meiner Arbeit bestand aus dem was Ich bis heute am liebsten mache: Autofahren!

Ich war zuständig für das Essen auf Rädern was wir anboten. Das war, anderster als z. B. beim Roten Kreuz, keine warme Mahlzeit sondern 7 Essen Tiefgekühlt in einer Box.

Die Kunden konnten das Essen entweder in vorkonfektionierten Kisten bestellen oder sich eine Box selber zusammenstellen. Das wurde dann über uns bestellt und ausgeliefert. Montags im Raum Kaiserslautern und Donnerstags auswärts. Die Auwärts Tour ging dann Kaiserslautern – Homburg – St. Ingbert – Pirmasens – Horbach – Kaiserslautern. Und in jedem Ort hatten wir nur einen Kunden! Ausser in Pirmasens, da waren es alle 2 Wochen 2 Kunden.

Ja, Montags also Kaiserslautern. Das war recht einfach und wenn man um 9 losfuhr und sich viel viel Zeit liess mit zwischendrin Essen gehen, mal schnell zur Bank oder einkaufen gehen war man gegen 12 Uhr wieder zuhause.

Da kann Ich mich an eine Kundin erinnern die mich jeden Woche fragte warum Ich denn das falsche Essen liefern würde. Ich musste Ihr jede Woche erklären, dass das was sie Heute bestellt erst in 2 Wochen kommt und nicht nächste Woche. Nachdem Ich Ihr das plausibel gemacht hatte, konnte Ich darauf wetten, dass spätestens eine Stunde später das Telefon im Büro klingelte und meine Chefin Ihr das noch einmal erklären konnte. Aber ansonsten eine sehr nette Person.

Ein anderer Kunde aus der Montagstour weiss Ich noch bekam das Essen vom Sozialamt bezahlt weil er anscheinend nicht in der Lage war für seine Verpflegung selber aufzukommen. Bei Ihm hatten wir eine fixe Bestellliste so dass sich das Essen alle 8 Wochen wiederholte. Das lustige an dem Kerl war, er wohnte in einer Sozialwohnung in Kaiserslautern die anscheinend aus nur einem Zimmer bestand und an deren Tür die Scheibe eingeschmissen war, was mit einem Bettlaken geflickt war. Der Anblick jedesmal wenn die Tür aufging war göttlich: Ein total verpennter Kerl in den 50ern, ausschliesslich mit Boxershorts und Unterhemd bekleidet, wobei man sich fragte wie lange das wohl nicht mehr gewechselt wurde. Auch der Duft der aus der Wohnung kam war ….. unbeschreiblich!

Ja, Donnerstags gings wie gesagt Auswärts. Einen Kunden in Vogelbach, ein Dorf bei Kaiserslautern, ein älterer Mann der mir jede Woche erzählte was er schon alles gemacht hat und ob Ich den und den kennen würde, ob Ich mitgekriegt hätte dass…… das traurige war, er erzählte jede Woche exakt das selbe.

Der nächste Stop war Homburg / Saar. Da hatte Ich 2 Kunden. Der eine, ein Mann, bettlägerig der von seiner Frau gepflegt wurde. Sehr nette Leute.

Weiter ging es nach Pirmasens. Direkt in die Innenstadt. Dort wohnte in der Fussgängerzone eine ältere Frau, ca 70, 75 in einem riesigen fast leerstehenden Appartementblock mit ca 20 Wohnungen, ganz alleine. Ich glaube ausser Ihr war da nur noch eine Wohnung vermietet. Oft hatte Ich das Gefühl dass Ich der einzige wäre der einmal die Woche kommt. Ausserdem gingen wir immer für Sie einkaufen. Auch hier wurde mir jede Woche das selbe erzählt. Wie schön die Wohnung doch wäre, dass man eigentlich ins Heim müsste man dann aber all die Möbel nicht mitnehmen könne, man erzählte von der Verwandschaft die nicht mehr käme usw. Eine wirklich sehr nette Frau, leider ganz ganz alleine. Gerne nahm man sich da einmal eine viertel halbe Stunde Zeit. Sehr schade. Irgendwann war dann einfach keiner mehr zuause als wir kamen. Was da passiert war, wir wissen es nicht.

Die anderen Kunden in Pirmasens waren ein Rentnerehepaar die das Essen nur manchmal bestellten so für über den einen oder anderen Tag.

Nach Pirmasens ging es zurück nach Kaiserslautern, über ein Dorf namens Horbach. Dort wohnte eine Frau mit Ihrer Enkelin und den Urenkeln. Auch hiernahm man sich gerne einmal kurz Zeit und kam auf ein Schwäztzchen über Gott und die Welt herein.

Danach ging es zurück nach Kaiserslautern. Wenn man es geschickt anstellte war man zwischen 3 und 5 wieder zuhause und musste danach nicht mehr viel machen. Ach ja, wie Ich das geliebt habe.

Ja, neben dem bestellen und Disponieren des Essens hatte wir auch noch Hausnotruf im Programm. Das war auch so mein Steckenpferd.

Immer mal wieder kamen da Aufräge zum An- oder Abmelden von Geräten, man musste den Papierkram und die Verträge machen, die Geräte anschliessen und den Leuten erklären oder auch wieder abbauen wenn Leute starben oder ins Heim kamen. Auch hier hatten wir ein ziemlich grosses Einzugsgebiet über den Landkreis Kaiserslautern.

Was man da manachmal sah, wenn Leute selber an Ihren Telefonanlagen herumgeknibbelt hatten. Mann oh Mann! Seit der privatisierung der Post und der Liberalisierung des Endgerätemarktes sieht man da Sachen. Ich kann mich noch an einen Fall erinnern wo Ich einen Tag lang von halb neun bis halb fünf an einer Anlage herumgeschaubt habe, am nächsten Tag nochmal mehrere Stunden und es doch nicht hinbekommen habe. Furchtbar!

Ansonsten war das aber eine einfache Sache. Aufstellen, Anschliessen, Ausprobieren, fertig! Meistens jedenfalls. Nur bei machen Leuten mit Telefon über Kabelanschluss hatten wir manchmal Probleme, aber sonst.

Das tolle an der Arbeit war aber auch die Fahrerei. Kaiserslautern, Ramstein, Weilerbach und der ganze Kreis Kaiserslautern. Der Dialog mit den Menschen usw.

Ja, ansonsten bestanden die Tage wirklich nur aus rumsitzen und Däumchen drehen. Manchmal gingen wir für Leute einkaufen oder machten bezahlte Gesprächsstunden, aber das war eher selten.

Wenn Ich so darüber nachdenke, war das der leichteste, schönste, im Verhältnis zum Aufwand bestbezahlteste Job den Ich je hatte.

Was auch oft vorkam waren Besorgungsfahrten, Autos zum TÜV, Inspektion, Werkstatt oder so, mal für den Vorgesetzten eine Erledigung machen und so weiter. Viele Fahrdienste und so. Mann was habe Ich in den 9 Monaten Tausende Kilometer runtergerasselt.

Unter anderem mit unserem Super-Kangoo. Das war ein alter Renault Kangoo, Baujahr ’99. 70 PS und ein riesen Kühaufbau mit 15 cm Isolierung und einem Riesen Dachkühler. Wenn man da die B 40 Richtung Pirmasens fuhr musste man im ersten Gang den Berg rauf fahren, alles andere war Zwecklos!

Ausserdem funktionierte die Kühlung nicht recht. Das Ding war laufend in der Werkstatt. Einige Monate nach meiner Zivizeit hab Ich das Ding auf dem Schrott wiedergefunden als Ich Ersatzteile für meinen Golf suchte. Ja ja, das war schon eine lustige Karre.

An ein anderes Auto kann Ich mich auch noch erinnern. Einen VW Transporter Krankenwagen Baujahr ’95. Das Auto hatte mittlerweile über 850.000 km auf dem Tacho! Eine tolle Kiste. Alles was man an dem Auto nur schief ansah fiel auseinander. Radio, Funk, Handschuhfach, alles wackelte. Die Heckklappe war so angerostet, mich wundert bis heute dass die nicht abgefallen ist. Aber: Eierwärmer (Sitzheizung)! Jaaaaaa…….

Oder unser Rettungswagen. Ein alter Sprinter bei dem man immer den Rückwärtsgang festhalten musste da der sonst wieder raussprang! Genial!

Am liebsten bin Ich aber unseren Bulli gefahren. Das machte Spass. Ein alter T3. Irgendwie hatte der ein Motorproblem, denn wenn man da das Gas durchtrat und Vollstoff gab verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Einfach klasse.

Einmal warn unsere Vorgesetzten in Urlaub und einer unserer Fahrer wollte ein Auto aus der Tiefgarage holen was nicht ansprang. Ohne groß nachzudenken holte er den Bulli zum überbrücken. Leider hatte er vergessen dass das Ding zwei Blaulichter auf dem Dach hat. Danach hatte er mal welche.

Um das zu vertuschen wurden kurzerhand andere gekauft und montiert. Hätte man sie gleich ausprobiert, hätte man gemerkt dass man 24 Volt Lichter auf einen 12 Volt Anschluss gebastelt hat. Wenige Wochen später bei einem Katastrophenschutzeinsatz bei dem eine Shuhfabrik in Pirmasens brannte stellte man fest dass sich die Lichter wie besoffen drehten und nur flackerten. Das gab Anschiss von oben!

Ziemlich am Ende meiner Zeit brannte hier bei Kaiserslautern auch ein Reifenlager. Dort waren wir auch mehrere Tage zum Essen kochen für die Feuerwehrleute und Helfer. Das war auch ein schöner Einsatz. Von Morgends um sieben oder so bis tief in die Nacht.

Ja, das war schon eine tolle Zeit. Die besten neun Monate meines Lebens!

Schade dass man das mit dem Zivildienst aufgegeben hat. Ich hätte es jedem empfohlen 🙂

 

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