Das Ende einer Ära

Die Tage bin Ich auf Spiegel Online über einen Artikel gestolpert, der mit “Das Ende der Telefonzelle ist besiegelt” überschrieben war. Dort vermeldete man, dass der “Rosa Riese” Telekom ab 21.11. bei allen 12.000 verbliebenen “öffentlichen Fernsprechern” die Münzzahlfunktion abstellt. Man kann dann dort bis Ende Januar nur noch mit Karte zahlen, bevor die Dinger schlussendlich restlos abgebaut werden. 

142 Jahre nachdem in Berlin das erste “Fernsprechkiosk” in Betrieb ging, ist es damit in Deutschland also nun endgültig aus und vorbei.

Tja, Telefonzellen. Wenn Ich an Telefonzellen denke, muss Ich zwangsläufig auch immer an unseren Familienurlaub im Schwarzwald denken. Wir haben da von Ich glaube 1988 bis 2008 immer unseren Sommerurlaub und auch so manchen Winterurlaub verbracht. Immer im gleichen Ort, immer bei der gleichen Familie. 

Zwanzig Jahre lang war Mitteltal bei Baiersbronn mein Sommer-Sehnsuchtsort. Von dort aus haben wir so gut wie den ganzen Schwarzwald erkundet. 

In der Zeit, bevor meine Mutter Ihr Siemens C25 bekam (Ich muss ehrlich sagen, dass Ich gar nicht mehr weiss wann genau das war. Vor 2000? Ich weiss es nicht mehr. Laut Wikipedia wurde das Modell 1999 eingeführt) war es ein Standardprozedere eines jeden Urlaubs mindestens einmal mit einem Sack “Groschen” oder später dann einer Telefonkarte ans “Häuschen” zu fahren (es gab nur zwei, unten im Ort, direkt nebeneinander) um dann nach und nach Tanten, Omas, Freunde, usw. abzutelefonieren. Das Wetter ist gut, das Essen auch, im Schwimmbad waren wir auch schon, usw. 

Zu zweit bzw. zu dritt quetschten wir in das nach Urin und Zigarettenqualm stinkende gelbe Häuschen und sprachen mit der fernen Heimat. Die Sprechmuscheln dieser Telefonzellen, die hatten so einen ganz eigenen Geruch nach kaltem Zigarettenqualm, den würde Ich in 100 Jahren noch im Schlaf erkennen. Sowas gibts kein zweites mal. 

Ja ja, das gute alte, gelbe TelH78. 

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PZN_Wiesloch_Zentralgeb%C3%A4ude_innen_005.jpg – This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

So eins hatten wir auch ca. 300 m von meiner Gesamtschule in Otterberg entfernt. Das musste Ich, bevor wir einen “Münzfernsprecher” in die Pausenhalle bekamen, immer benutzen, wenn Ich mal wieder den Bus verpasst habe, der Bus wegen Schnee nicht kam oder Ich früher aus hatte und Ich meine Mutter oder Bekannte meiner Eltern anzurufen damit sie mich abholen. Das tückische an diesen Münzfernsprechern ist aber leider, dass man die Münzen die man zum telefonieren benutzen kann, auch verwenden kann um damit in der Pause beim Hausmeister eklige Bockwürste oder noch ekligere Frikadellen zu kaufen. Und wenn man dann Pech hatte, waren zum telefonieren keine Groschen mehr da und man durfte die sechseinhalb Kilometer von der Schule bis zum Elternhaus zu Fuss latschen. Gerne auch mit Turnbeutel und sonstigem Gepäck zum Ranzen dazu.

Tja, in Zeiten, in denen Grundschulkinder schon ein Smartphone in der Tasche haben (Wogegen Ich ausdrücklich nichts habe! Wenn denn die Eltern auch Ihren Kindern den sinnvollen Umgang damit beibringen!) ist so eine Telefonzelle (bzw.am Ende waren es ja nur noch Telefonsäulen, bei denen man nur noch mit Calling Cards oder Kreditkarten zahlen konnte, die hatten gar keinen Schlitz mehr für eine Karte oder Münzen) ein etwas aus der Zeit gefallener Gegenstand.

Ich könnte mir vorstellen, dass an grösseren Bahnhöfen wie dem Berliner oder Hamburger Hauptbahnhof und natürlich an internationalen Flughäfen private Anbieter weiterhin das eine oder andere öffentliche Telefon bereithalten könnten, aber in der Fläche sehe Ich die Tage dieses Anachronismus auch gezählt…

Ach ja, zum Abschluss noch ein lustiges Beitrag aus der Diskussion zum dem Artikel auf SPON:

Zitat: “Diese weitere Demontage öffentlicher Infrastuktur ist ein aufschlussreiches Beispiel für Konsumzwang. Als der Hype mit den Mobiltelefonen losging, entschied ich mich dazu, nicht mitzumachen, weil es ja überall Telefonzellen gab und mir das genügte.
Aber dann wurden die „Daumenschrauben“ angezogen: Ich musste zweimal das Girokonto wechseln, weil die Banken beschlossen, mir die TANs nur noch per Mobiltelefon zu schicken. Auch für den Empfang meiner Gehaltsbescheinigung wollte mich der Arbeitgeber zum Kauf eines Mobiltelefons zwingen, was ich nur mit Mühe abwenden konnte.
Und nun werden also die restlichen Telefonzellen abgebaut.
Wo bleibt da die vielgepriesene Konsumentenfreiheit?
Das Muster ist stets dasselbe: Eine Innovation wird auf den Markt gedrückt indem die Alternativen, die dadurch ersetzt werden sollen, verschwinden, egal wie viele Konsumenten mit den bisherigen Alternativen zufrieden sind. Das ist Konsumzwang!”

Dazu fällt mir nur ein: TONFILM IST KITSCH!

2.5069428/ Protest poster against the first sound film, Museum Industrial Culture, Nuremberg, Middle Franconia, Bavaria, Germany, Europe

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