Nju Wörk

Gerade hab Ich mir eine sehr interessante Doku aus dem Jahre 2019 angesehen: Weniger arbeiten – wie wollen wir leben? 

Darin wurde auf die veränderten Lebensumstände der nachkommenden Generation eingegangen und deren Wunsch Familie / Freizeit und Arbeit besser unter einen Hut zu bekommen. Stichwort: “Work-Life-Balance”. 

Ein grosses Thema war da natürlich das Home-Office – etwas das mich ja nun auch schon seit gut anderthalb Jahren beschäftigt.

Alle in der Doku angesprochenen Menschen die das Homeoffice nutzen waren begeistert davon sich z. B. den Arbeitsweg zu sparen, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, flexibel zu sein, wenn mal “was privates dazwischen kommt”, usw.

Das veranlasste mich dazu noch einmal darüber nachzudenken woher diese immense Diskrepanz zwischen der allgemeinen Homeoffice-Lobhudelei in den Medien und meinen persönlichen Erfahrungen bzw. der meiner Kollegen kommt. 

In den ersten Monaten der Pandemie war ja unser Homeoffice noch, so hatte Ich zumindest den Eindruck, von so einer “ja, so lange wird das ja sicher nicht dauern” Stimmung geprägt. Der Tiefschlag für mich und meine Kollegen kam dann irgendwann im letzten Sommer als die Firma uns mitteilte dass es kein Zurück in die Präsenzarbeit gebe. 

Wenn man das Internet durchsucht und z. B. bei Google eingibt “Chef verlangt Homeoffice” kommen Ergebnisse wie:

  • Rückkehr vom Homeoffice ins Büro trotz Corona
  • Corona und Homeoffice: Wann darf ich, wann muss ich…
  • Gibt es ein Recht auf Homeoffice? – Ein Anwalt klärt auf – MDR
  • Homeoffice: Muss ich wieder zurück ins Büro? – Handelsblatt
  • Homeoffice: Mit diesen Argumenten überzeugen Sie skeptische Chefs
  • Lockdown-Ende: Muss ich zurück ins Büro, wenn der Chef es will
  • DGB fordert Anspruch auf Homeoffice
  • Chef erlaubt kein Homeoffice – was tun? Expertin gibt Tipps
  • ver.di-Chef fordert Möglichkeit zum Homeoffice für alle
  • Corona Homeoffice: Darf der Chef mich ins Büro zwingen?

Das das alles nun höchst subjektiv und nicht repräsentativ ist weiss Ich auch aber es zeigt ja schon ein wenig in welche “Stossrichtung” sich die Anfragen zum Thema Homeoffice ungefähr bewegen.

In dieser Doku über “New Work” wurden verschiedene Betriebe gezeigt. So z. B. die SAP und ein mittelständischer Maschinenbauer aus “dem Ländle”. Als Ich dann näher über die Personen nachgedacht habe die in den Filmen gezeigt wurden (Abgesehen von den Arbeitern die z. B. in der Werkshalle Sägen gebaut haben) wurde mir klar woher diese gefühlte Diskrepanz zwischen der “Internetwirklichkeit” und meiner Wirklichkeit herkommt: Sie kommt von der Karrierestufe auf der Ich stehe! 

In der Doku wurde ein Personalvorstand gezeigt, ein Vorarbeiter, Menschen die bei Ihrer Arbeit “Projekte machen” usw. 

Mir wurde klar: Das ist alles in allem so weit von meiner Arbeitswirklichkeit entfernt wie der Mars von der Erde!

Ich denke mittlerweile, dass “dieses Homeoffice Ding” anscheinend nie für Menschen meiner Gehaltsklasse gedacht war. Das waren alles so Leute mit so “fancy” Jobs, die so “Meetings” machen und dann so über “soft skills” reden um dann in der veganen Kantine über Pullover aus nachhaltig gefickten Alpakas zu diskutieren oder so einen Scheiss. 

Es wurden auch so diese typischen “Chacka Chacka” Veranstaltungen gezeigt wie Ich und meine Kollegen sie so hassen: Wir sind die besten, wir sind die grössten und was wir alles können und machen usw. Solche “Public-Masturbate” Veranstaltungen wo sich der Chef oben auf der Bühne vor versammelter Mannschaft einen drauf runterholt was für eine geile Firma wir doch sind. Ich hasse sowas! 

In mir reifte der Eindruck, dass das Homeoffice auch für die “breite Masse” (so würde Ich das was meine Abteilung in der Firma macht bezeichnen, also den Kundendienst) und nicht nur für mich mehr Fluch als Segen ist, wir aber eine Masse darstellen die mehr schweigt als dass Sie aufbegehrt. 

Vielleicht sind diese Menschen die da dauernd “be-umfragt” werden und die dauernd aussagen wie toll es nun mit dem Homeoffice sei einfach die kleine laute und lärmende Minderheit der hippen, studierten oberen Mittelschicht die Ihren veganen Kaffee Latte gerne auf der Gartenterrasse Ihres Einfamilienhauses in München Schwabing trinkt und dort den Homeoffice-Laptop aufbaut um dann mir der “Business Unit” in den USA zu skypen. Vielleicht ist das alles nicht wirklich repräsentativ, Ich weiss es nicht. 

Vielleicht sind diese “einfachen Mitarbeiter”, die bei uns im Kundendienst die meisten Arbeitnehmer stellen (bis hinauf in die bisherige zweite Managementebene) schlicht und ergreifend die neuen Fliessbandarbeiter die vor 50 Jahren noch in Stuttgart “beim Daimler” am Band gestanden hätten oder vielleicht als “Fräulein” in der Buchhaltung Kolonnen von Zahlen in den Zuse geknüppelt hätten. Stupides abarbeiten vordefinierter Szenarien ist mittlerweile zu 99 % mein Arbeitsalltag – nach der letzten Umstrukturierung bei der mir etliche meiner eh schon wenigen Kompetenzen weggenommen wurden noch mehr. Manchmal kommt es einem wirklich so vor als laufen die Kundenanfragen wie auf einem Fliessband an einem vorbei, man haut mit dem Hammer drauf und leitet sie dann an die nächste Abteilung weiter. Denken muss man dabei kaum noch. 

Ich wette dass keiner der in der Doku gezeigten “New-Worker” weniger als das Doppelte im Netto hatten als Ich (das wären 3.200 €). Mit so einem Gehalt kann man sich natürlich genug Ausgleich in Form von Fitnessstudio und Achtsamkeitsseminaren vom ach so stressigen Homeoffice Job kaufen. OK, die Leute arbeiten teilweise 10, 12 Stunden am Tag (was Ich nie verstanden habe warum man sowas macht wenn man keine eigene Firma hat oder sein eigener Chef ist), sitzen dann aber dafür mit Ihren Lifestyle-Familien in Ihrem Kreditfinanzierten Eigenheim in Hamburg Eppendorf oder Harvestehude und schicken Ihre in Jako-O verpackten Kinder auf die Waldorfschule oder in den “Naturkindergarten”. 

Was soll das für 1 Gesellschaft sein? 

Ich kenne niemanden (abgesehen von meinem pensionierten Onkel der mal früher “Zementwerke in Saudi Arabien und Brasilien gebaut hat” wie meine Mama immer sagt) der in dieses Schema passt. Ich glaube nicht dass Ich Menschen in meinem Bekanntenkreis oder Umfeld habe (abgesehen von einer meiner direkten Vorgesetzten) die mit mehr als 2.000 € netto nach Hause gehen. 

Vielleicht bin Ich ja aber auch eher der “Untypische Exot” der sich mit seinen 1.600 € Netto für Sachen interessiert (New Work Dokus z. B.) die ausserhalb seiner Einkommensklasse liegen.

Vielleicht sollte Ich einfach mehr “Bauer sucht Frau” schauen als mir über solche Themen Gedanken zu machen….

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