Marianne Kapitel 1

Der Nebel legte sich um meine Nasenspitze als Ich über den kalten Waldboden schlurfte. Immer tiefer taumelte Ich in den dunklen Baumbestand hinein. Es war still. Sehr still. Zweige knackten unter meinen Füssen. Die Luft roch nach nassem Moos und Moder. Keine Menschenseele war zu sehen als Ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nahm.

Man war hier in dieser Gegend, dem Pfälzer Wald bei Kaiserslautern, doch immens im Vorteil wenn man sich auskannte. Schnell konnte man sich verlaufen. Zu schnell.

Wahrscheinlich dachte das auch Marianne…

Marianne stieg aus dem Auto aus. Ein blauer Ford Mondeo den Sie von Ihren Eltern zum Führerschein geschenkt bekam. Sie Tür knarzte ein wenig beim Zuschlagen. Sie öffnete den Kofferraum und nahm Ihre schweren Wanderschuhe heraus. Sie setzte sich auf den Kofferraumrand und begann Ihr Schuhwerk zu wechseln. Der Parkplatz war Menschenleer.

Es war neun Uhr als Sie sich auf den Weg machte. Bewaffnet mit Rucksack, Wasserflasche, Taschenmesser und Wanderstock.

Marianne liebte diese Waldspaziergänge. Endlich mal wieder den Kopf freiblasen. Raus aus dem Büro. Keine E-Mails, keine SMS, kein Telefon, kein „Ach, kannst du vielleicht noch…“. Hier war man mit der Natur eins, konnte seinen Gedanken freien Lauf lassen und sich auch einmal auf sich selbst und sein Innerstes hören.

Der Boden war leicht feucht. Es hatte geregnet in der Nacht. In der Luft hing der Duft von Moos und faulem Holz. Wie gut es sich doch zeigte dass Sie vor einem Jahr mit dem Rauchen aufgehört hatte.

Immer weiter trieb es sie hinein in die grüne Hölle.

Nach einer Weile kam Sie an eine Bank. Seit fast einer Stunde hatte sie keine Menschenseele gesehen. Nur ab und zu ein kleiner Waldbewohner. Eichhörnchen und seltener auch ein Reh. Sie setzte sich und nahm Ihren Rucksack ab.

Das durchatmen machte den Geist jedes Mal ein wenig freier. Sie nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und wischte sich mit der linken Hand über den Mund. Sie musste schmunzeln. Ja hier interessierte es wirklich niemanden ob man Lippenstift trug oder nicht. Sie packte ein Käsebrot aus und begann zu essen. Ab und zu härte man einen Vogel singen. Lerchen, Finken, Spatzen. Ein Idyll von Natur hier.

Nach einer Weile packte Sie Ihre Siebensachen wieder zusammen und machte sich auf den Weg. Bis zum Abend wollte sie wieder zurück sein. Ein kurzer Blick auf die Karte verriet Ihr dass sie noch auf dem richtigen Weg war.

Ihr blonder Zopf wippte im Takt Ihrer Schritte. Der rote Anorak wirkte beklemmen surreal inmitten des Waldes. Ein Fremdkörper im Fleisch der Natur.

Er beobachtete jeden Ihrer Schritte. Von Minute zu Minute kam Sie Seinem Ziel näher. Ein leichter Nieselregen setzte ein. Sie zog die Kapuze Ihres Anoraks zu.

Warum hatte Pater sie wirklich verlassen, schoss es Ihr durch den Kopf. Immerhin waren sie fast drei Jahre zusammen. Ohne jeden Grund hatte er Schluss gemacht. Von heute auf Morgen. War er fremd gegangen, arbeitete Sie zu viel, war es weil Sie keine Kinder wollte?

Es war nun zwei Wochen her, doch wenn man Sie näher kannte merkte man dass es Ihr schwer zu schaffen machte dass er sich getrennt hatte. Bisher hatten Sie immer eine gleichberechtigte Beziehung geführt. Sicher, In letzter Zeit hatte sie wenig Zeit für die Beziehung, ihre Kanzlei steckte in einem schwierigen Prozess vor dem Bundesgerichtshof. Immer diese Pendelei zwischen Kaiserslautern und Karlsruhe, die Übernachtungen in den Hotels, die Nächte um die Ohren geschlagen im Büro. Doch letzten Endes hatte sich die Sache gelohnt. Freispruch auf ganzer Linie. Ohne Zweifel.

Von der Prämie wollte sie den Großteil mit Peter zusammen in eine Eigentumswohnung stecken. Mitten in Kaiserslautern, Altbau, nahe der Kanzlei.

Aus der Traum, für immer? Wie Sie gehört hatte war er erst einmal bei einem Freund untergekommen. Die Sache dass Sie den Grund für die Trennung nicht kannte fraß Sie von innen auf.

Heute war ein Guter Tag, endlich hatte Sie ein wenig Urlaub nehmen können. Zuhause die Wohnung mal ein wenig auf Vordermann bringen, das eine oder andere aussortieren, Kleider für den Second Hand oder den Container, das eine oder andere Buch, was sich ebenso ansammelt.

Urlaub war immer so eine Art der Befreiung vom Alltag, vor allem in Ihrem Job bei dem eine sechzig, siebzig Stunden Woche Alltag sein konnte, je nach Auftragslage. Die Gerechtigkeit machte auch vor Weihnachten oder Geburtstagen nicht halt. Immer wieder noch ein Fall, noch ein Mandat, hier noch ein wenig, dort noch ein Schreiben. So langsam fühlte Sie sich dem nicht mehr gewachsen. Sollte es klappen dass sie im Nächsten Jahr nur Partnerin aufsteigen würde, würde es sicherlich nicht besser werden, Im Gegenteil. Sicher, die Familienplanung hatte Sie abgeschlossen. Marianne war noch nie von dem Gedanken begeistert Kinder zu haben. Auch in einer Partnerschafft wusste Sie genau was Sie wollte. Das wusste auch Peter als er Sich auf sie einließ. Am Landgericht hatte man sich kennen gelernt. Er war Rechtsreferendar. Aufstrebend, wie Sie. Immer die Karriere im Blick. Es war von Anfang an klar dass keiner der beiden zurückstecken würde nur zugunsten einer Partnerschaft. Dazu war die Karriere viel zu wichtig.

Der Regen wurde stärker. Dicke Tropfen fielen langsam auf Ihren Anorak. Der Geruch von nassem Waldboden verstärkte Sich und suchte Sich den Weg In ihre Nase. Tiefes Durchatmen half einen klareren Blick zu bekommen.

Mittlerweile war Sie sich nicht mehr sicher ob es sinnvoll wäre jetzt umzukehren und zum Auto zurück zu gehen. Zur Sicherheit hatte Sie eine Zelteinheit und eine Blache, also eine Zeltplane im Marschgepäck. Sie merkte dass Ihre Ausdauer nicht mehr so gut war wie im letzten Jahr. Das sitzen im Büro, die langen Besprechungen, das späte heimkommen, da ließ man das Fitnessstudio gerne einmal links liegen.

Nach einer Weile beschloss Sie für heute Rast zu machen um Morgen umzukehren. Es war Spät geworden. Doch wen scherte das, wer hetzte Sie schon? Niemand. Sie hatte Sich Ihren Urlaub redlich verdient und dachte nicht daran etwas anderes zu tun als Sich zu erholen.

Auf einer kleinen Lichtung nahm Sie den Rucksack ab und stellte Ihn auf den Boden. Im Halbdunkel packte Sie das Zelt aus und baute das behelfsmäßige Zuhause auf.

Gegen den Hunger gab es eine so genannte „Hot-Can“ eine heiße Dose. Irgend ein Findiger Mensch war auf die Idee gekommen einen Kocher in die Dose mit dem Essen einzubauen der mittels chemischer Wärme aus Oxidation die Lebensmittel in der Dose erwärmen kann. In 10 Minuten waren Reis und Hähnchen warm und bereit verspeist zu werden.

Das Einmannzelt war eng und kuschlig, der Schlafsack hielt die Kälte draußen. Beim liegen konnte Marianne den Tag noch einmal Revue passieren lassen. Langsam dämmerte Sie in den Schlaf ab.

Das glimmen der Zigarette war weithin zu sehen. Er machte sich nicht einmal die Mühe seine Anwesenheit im Verborgenen zu halten, vor wem auch? An einen Baum gelehnt und in die Nacht hinausblickend dachte er daran wie es hätte sein können. Damals. Hätte nicht…

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