Artikel über die nicht-Traurigkeit von tot in der Wohnung liegenden Rentnern

Gerade eben bin Ich mal wieder über “so einen”-Artikel gestolpert. 

“So einen”-Artikel, bei dem alle die Ich so kenne wieder in den Floskelmodus verfallen: Schlimm das alles heutzutage, man kennt seine Nachbarn gar nicht mehr, früher hätt’s das nicht gegeben, usw.

In dem speziellen Fall ging es darum, dass ein Betrüger einen einsamen Rentner ermordet und eingefroren hat, um dessen Rente zu kassieren, da er selber in finanziell prekärer Lage war. Ca. 10 Jahre lang ist das niemandem aufgefallen. 

Das hier ist jetzt natürlich ein spezieller Fall. 

Aber warum ist das eigentlich traurig, wenn ein Rentner stirbt und das keiner mitbekommt? Warum wird man von der Gesellschaft dazu gezwungen, ein Leben so zu führen, dass die Nachbarn mitbekommen, dass man noch lebt. 

Ich weiss nicht ob Ich ein solches Leben führen wöllte.

Warum wird diesen Menschen automatisch unterstellt, sie hätte ein Trauriges Leben gehabt? Nur weil Sie keinen Kontakt zu Mitmenschen hatten, keine Famile (mehr) und keine Freunde? Weiss man denn, ob diese Person sich nicht bewusst für so ein Leben entschieden hat?

Man stelle sich vor: Ich bin, davon ist auszugehen, irgend wann einmal Eigenheimbesitzer. Als solcher hätte Ich wahrscheinlich, so wie jetzt auch, nicht viel Kontakt zu meinen Nachbarn. Nur so ein “Man sieht sich”-Kontakt, wenn man mal gerade zufällig gleichzeitig vor der Haustür ist. Ich gehe auch mal davon aus, dass ich meine Mutter überlebe. Wenn dem so wäre, hätte Ich, da nicht zu erwarten ist, dass Ich zu der Seite meiner Tante väterlicherseits, die Kind und Enkelin hat, weiterhin Kontakt haben werde, nur noch meinen Cousin und seine Frau. Die Schwester meiner Mutter wird ja aller Voraussicht nach vor mir sterben. Ebenso die andere Schwester meines Vaters zu der Ich erst seit kurzen wieder Kontakt habe. 

Wenn es dann so sein sollte, dass Ich älter werde als mein Cousin und seine Frau, dann bestünde höchstens noch die Möglichkeit, dass Ich meine Einliegerwohnung vermietet hätte und man dann da irgendwann merkt, dass Ich nicht mehr im Flur gesehen werde oder so. 

Aber sonst…

Strom, Gas, Wasser, Versicherungen werden weiter abgebucht. Der Briefkasten könnte irgendwann überlaufen, dann hätte Ich zur Not aber auch noch einen Briefschlitz in der Haustüre, in den die Post meine Sachen stopfen kann. 

Wenn die Strom-, Gas- und Wasserzähler nicht abgelesen werden können weil keiner öffnet, werden die Stände eben geschätzt. 

Der Schornsteinfeger, da weiss Ich nicht, was der macht wenn er die Heizung messen will und sich monatelang keiner meldet. 

Wenn die einzigen Nachbarn zu denen Ich aktuell sporadisch so einen “man sieht sich ab und zu vor der Haustüre”-Kontakt habe auch weggestorben sind, wird den Nachbesitzern von deren Haus vielleicht irgendwann auffallen dass da bei Ihrem Nachbarn ein Auto vor der Türe steht, dessen Reifen irgendwann platt sind und das Moos ansetzt.

Aber sonst…

Wenn Ich mich aber daran erinnere, was früher noch so alles war. Meine Oma z. B. ging morgends um 9 Uhr ins Dorf zum Metzger und Mittags um halb 12 stand Sie immer noch mit der Nachbarin “uff de Gass” und hat “Verzehlchers” gemacht: Über die Scheidung von Nachbar X, über den Nachbarn Y der sein Frau betrügt und über was weiss Ich nicht noch alles. 

Das war mir immer ein abschreckendes Beispiel. Ich wollte nie irgendwas mit den Menschen zu tun haben mit denen Ich das Pech teilte im selben Kuhkaff zu wohnen. 

Vielleicht ging es diesem Rentner genauso. Er hatte keine Familie mehr, hatte vielleicht keine oder nie Freunde, so wie Ich, wollte vielleicht einfach seine Ruhe haben und die eine Person, sein Mörder, reichte Ihm als Sozialkontakt. Wer weiss…

“Der Mensch ist ein soziales Wesen” ist auch so eine Floskel. Ich meine, klar, Ich bin auch einsam, in einem partnerschaftlichen Verständnis, aber Ich bin sicher nicht einsam wegen mangelnder Sozialkontakte, die mir eher viel zu viel sind obwohl Sie schon sehr wenig und sehr eingeschränkt sind. Es würe mir auch nichts ausmachen, wenn Ich meine Mutter nur noch einmal im Monat sehen würde. 

Wem würde Ich fehlen, wenn Mama, Tante und Cousin gestorben wären? 

Ich glaube auch niemandem. 

Wäre das schlimm? Darf man denn nicht alleine sein?

Darf man denn nicht keine Freunde haben?

Darf man denn nicht niemanden haben dem man fehlen würde?

Das würde mich echt mal interessieren, wie denn, wenn es dabei bleibt, dass mein Cousin und auch meine Cousine mütterlicherseits nie Kinder bekommen, meine Großcousine väterlicherseits dann irgendwann in, keine Ahnung, 40 oder 50 Jahren, auffassen würde, dass Ihr Onkel, zu dem Sie seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr hat obwohl er nur zwei Straßen weiter und nur 150 m entfernt wohnt, monatelang oder noch besser jahrelang tot in der Wohnung gelegen hat…

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