Achja, was macht man an einem Sonntag, nachdem man sich darüber gegrämt hat dass einem am Samstag Abend der Computer abgeraucht ist und sich nicht mehr starten lässt?
Richtig: Man nutzt den Anlass mal wieder den Schreibtisch aufzuräumen.
Ich habe auf meinen Schreibtisch so eine schöne in grüner alles-OK-was-hier-drin-liegt-ist-erledigt-Farbe gehaltene Ablage. Wenn man irgend welche Papiere bei mir sucht die nicht da sind wo sie hingehören, dann findet man Sie mit zu 99,9 prozentiger Sicherheit DORT.
Und beim ausmisten und abheften der Papiere in eben dieser schönen grünen Ablage ist mir folgendes Dokument in die Hände gefallen:
Meine Kirchenaustrittsbestätigung.
Ja, ich gestehe, Ich habe es tatsächlich gewagt. Im letzten Urlaub vor ca. 12 Monaten, nachdem Ich schon vorher einige Monate mit der Idee schwanger gegangen bin wie man so schön sagt.
Eigentlich war das alles keine grosse Sache: Auf Dresden.de nachgesehen was man da so alles braucht (Personalausweis und, sofern vorahnden, irgendwelche Kirchenpapiere die sicher schon vor Jahren zu neuem Zeitungspapier oder so umfunktioniert wurden) und geschaut wo man da hin muss und was das kostet.
Eines schönen Urlaubstages dann habe Ich mich aus dem Bett gequält und habe mich mit Bus und Bahn (Auto kam kurz darauf) in Dresden auf zur Heeresbäckerei gemacht. Da hat unser Standesamt eine Dependance. Geheiratet wird da aber nicht, dazu hat mein ein schmuckeres Domizil in Blasewitz in der Goetheallee, mitten im Grünen.
Dort angekommen dann eine Nummer gezogen, meine Wünsche geäußert, 26 € Verwaltungsgebühr bezahlt (Ja, das ist ein offizieller „Verwaltungsakt“ so ein Austritt!) und so einen offiziellen Bestätigungswisch in die Hand bekommen, siehe oben.
Das ging einfacher als Ich dachte.
Ja, nun fragt sich der geneigte Leser warum der Philipp das wohl gemacht hat.
Nunja, wie oben geschrieben hatte Ich den Gedanken schön länger im Kopf. Vielleicht muss Ich dazu ein wenig ausholen und mal ca. 30 Jahre in die Vergangenheit reisen. Damals anno domini 1987 war die Welt noch eine andere. Meine Eltern die 1985 nicht kirchlich geheiratet haben und vorher einige Zeit zusammen in „Wilder Ehe“ (Ja, damals war das noch ne Hausnummer auf dem Dorf!) gelebt haben hatten nach der Geburt Ihres Sohnemannes vor der Entscheidung gestanden: nicht taufen oder wenn doch, wie. Meine Eltern waren nämlich eine sogenannte „Mischehe“ (Auch so ein „wie können die nur, in unserem Dorf“-Ding) wie man damals gesagt hat (oder es heute noch in Bayern oder so sagt). Mein Vater war nämlich protestantisch, meine Mutter katholisch. Mittlerweile hat meine Mutter vor ein paar Jahren auch „die Seiten gewechselt“ und ist nun protestantisch, fühlt sich besser an, sagt Sie.
Das mit meiner Taufe hat aber nichts mit dem Dorf zu tun sondern mit meiner Tante, also eigentlich der Tante meiner Oma mütterlicherseits, oder so. Ich weiss das eigentlich nicht so genau. Für mich war es eben immer nur die Tante soundso. Die war streng katholisch (nach aussen hin. Was Ich da im Nachhinein so alles gehört habe, nicht sehr christlich… aber lassen wir das). Und die hatte wohl nicht wenig Kohle auf der Bank. Damit konnte man wunderbar drohen und erpressen. Das ging dann so in der Art: „Wenn der Bub nicht getauft wird gibts kein Erbe!“. Schön!
So kam es also dass der kleine Philipp getauft wurde.
Viele Jahre später, anno domini 2007 (oder war es 2008?) starb besagte Tante dann. Der Kontakt mit Ihr und meiner Familie (meine Eltern und Ich) hatte sich verlaufen, man besuchte die seltsame reiche alte Dame kaum noch, bzw. wir haben Sie mehrere Jahre vor Ihrem Tod gar nicht mehr gesehen, was an Ihrer teils extrem seltsamen Art lag. Ich hatte Sie ein Jahr vor Ihrem Tod noch mal besucht, da Ich in einer beruflichen Angelegenheit in einem Nachbarhaus von Ihr zu tun hatte und dachte es wäre komisch wenn Sie dich durch einen Zufall sieht und du nicht mal Hallo gesagt hast. So blieb Ich mit meinem Kollegen ein paar Minuten auf einen Kaffee.
Das war das letzte mal dass Ich Sie gesehen habe.
Im Jahre 2008 verstarb Sie dann auch.
Als es dann ans erben ging machten wir uns keine Hoffnungen und wurden daher auch nicht enttäuscht als wir nichts bekamen. Meine Oma, also Ihre Nichte (müsste das sein wenn Ich mich nicht verirrt habe) erbte dann ein paar Tausender. Der Bruder der Mutter meiner Oma, also Ihr Onkel erbte zwar den Hauptbatzen (auch so ein komischer Typ, der meine Oma schon mal um das Erbe Ihrer Eltern oder so beschissen hat vor vielen Jahren und zu dem keiner mehr Kontakt hatte) hatte sich bei der Tante eingeschleimt ohne dass es einer wusste und dann abkassiert.
Muss man der Typ dazu sein. Ich könnte das nicht.
Mit dem Tod meiner Tante war dann das Thema Kirche kann man sagen in unserer Familie dann mehr oder weniger sprichwörtlich begraben. Mein Vater starb 2009, bekam zwar auch ein kirchliches Begräbnis, aber „Kirchgänger“ war er nicht und es gibt es in unserer Familie auch kaum welche. Ich könnte nicht sagen wann mein Vater das letzte mal vorher in der Kirche war. Müssen Jahre her sein. Meines Vaters Schwester vielleicht. Was aber auch nicht über die Christmette hinaus geht glaube Ich. Die Eltern meiner Mutter waren schon vor Jahrzehnten aus der Kirche ausgetreten.
Zwischen verschiedenen Jobwechseln, einem Umzug, Arbeitslosigkeit, Stellensuche und dies und das und jenem geriet das Thema Kirchenaustritt dann irgendwann in Vergessenheit. Bis Ich wieder regelmässig einen Lohnzettel jeden Monat in die Hand bekam, was mit meiner Arbeitsaufnahme im Sommer 2015 zusammenhing.
Ich wollte hier dann die Zeit der Befristung, also zwei Jahre abwarten. Auch wenn Ich nicht mal weiss ob meine Vorgesetzten denn überhaupt in einer Kirche sind oder ob die so einen Austritt überhaupt mitbekämen da die Buchhaltung unseres über ganz Deutschland verteilten Unternehmens in Dingsbunmshausen irgendwo im Westen sitzt und das ja ausser für die Lohnsteuer für den Arbeitsalltag überhaupt keine Relevanz hat. Davon abgesehen ist Sachsen das Bundesland mit der niedrigsten Konfessionsquote oder wie man das da so nennt. Haben wir der DDR zu verdanken. Auch wenn die „roten“ sonst nix ordentlich hinbekommen haben, aber das….. Naja, lassen wir das.
Seis drum, Ich hab den Schritt in meinem Urlaub dann also gewagt und bin ausgetreten.
So weit also der Verwaltungstechnische Kram und der Hintergrund dazu.
Einige Wochen oder Tage oder so nach dem Austritt kam dann ein Brief der für mich zuständigen Diözese oder wem auch immer. Ich wurde gewarnt dass man doch bitte bedenken solle was an so einem Kirchenaustritt alles dranhängt. Man könne nicht mehr beichten gehen, könne nicht mehr kirchlich heiraten, keine Firmung oder so bekommen und was weiss Ich nicht alles und es würden einem nur noch im aller höchsten Notfall die Sakramente abgenommen oder so (also wenn man kurz vorm abnippeln noch mal die Erleuchtung bekommt dass das mit dem Austritt vielleicht doch nicht so der Honig war, lässt sich die Kirche erweichen und sagt, OK, du darfst trotzdem ins Paradies oder so. Keine Ahnung). Naja, was soll man dazu sagen?
Kommen wir zum warum.
Ausgetreten bin Ich eigentlich, weil Ich mir dem ganzen religiösen Zeugs und er Kirche an sich nix anfangen kann. Ich bin seit Ich selber denken kann (also seit 20 Jahren oder so) nicht mehr gläubig. Dass da der alte Oppa im Himmel mit seinem weissen Bart auf der Wolke sitzt und Beef mit dem Typen in den roten Strumpfhosen aus der Hölle hat, ist bei längerer Überlegung kein wirklich schlüssiges Ding. Mittlerweile bezeichne Ich mich gerne als wissenschaftlich kritischen Menschen. Ich würde nie so weit gehen zu sagen dass es Gott nicht gibt, doch bisher, nach allen mir vorliegenden Fakten, halte Ich es für sehr unwahrscheinlich, lasse mich durch wissenschaftlich belegbare und wiederholbare Beweise aber gerne vom Gegenteil überzeugen. Das ist aber auch nur eine Meinung. Meine Meinung. Wenn jemand sagt Yeah! Gott voll cool und so und Jesus Christ Superstar! Dann von mir aus gerne. Jeder soll an das glauben an was er will, und wenn es das fliegende Spaghettimonster ist. Wer bin Ich darüber zu richten an was andere glauben oder nicht? Ich unterhalte mich auch gerne mit Menschen die religiös sind und eine andere Sicht der Dinge haben, so lange man nicht versucht mich zu missionieren.
Ich denke da immer gerne an zwei Sachen die der von mir sehr geschätzte Volker Pispers mal gesagt hat: „Wir haben in Deutschland Religionsfreiheit. Ich fände es auch schöner wenn wir religionsfrei wären, geht aber leider nicht.“ und „Religion ist wenn die eine Gruppe sich mit der anderen Gruppe darüber streitet wessen imaginärer Freund die besseren Skills hat“ (nicht wörtlich aber sinngemäß wiedergegeben).
Was dann oft für ein Argument kommt ist „ja aber mit der Kirchensteuer bezahlt man auch Krankenhäuser und Kindergärten“. Da würde Ich sagen ist es doch Zeit das mal zu hinterfragen, ob das alles wirklich noch so zeitgemäß ist. Nicht überall wo Kirche draufsteht ist zur Mehrheit kirchliches Geld drin.
In einer Welt die nie so aufgeklärt war wie zuvor, darf man fragen ob das OK so ist dass eine konfessionelle Klinik keine Pille danach verschreibt, darf man fragen warum wenn man doch Jahr für Jahr Millionen an Kirchensteuer zahlt die Kirche in einem Stadtteil meiner Heimatstadt einen Teil Ihres Grundstücks verkaufen musste um eine Dachrepearatur zu zahlen. Man darf hinterfragen wie eine Kirche mit einem Missbrauchsskandal umgeht, man darf hinterfragen ob mein Geld in einem Luxus-Bischoffsitz eines Herr Teebeutel von Elsterirgendwas (Tebartz van Elst) gut angelegt ist. Man darf fragen warum der konfessionelle Kindergarten in den Ich als Kind ging eine Spendenaktion und ein Benefizkonzert machen muss um seine Bude zu sanieren.
Das alles sind Beispiele beider grosser christlicher Konfessionen. ich mache da keinen Unterschied.
Das alles und der oben beschriebene „Abfall vom Glauben“ war dann so eine Mischung die mich sagen liess, nö, mit dem ganzen Zeug kann Ich einfach nichts mehr anfangen.
Sicher, es gibt in beiden Kirchen viele tolle Menschen, die oft ehrenamtlich viel für andere Menschen machen. Das finde Ich auch toll und diesen Menschen gilt meine Kritik nicht.
Am einfachten kann man es mit einem Vergleich beschreiben finden Ich. Das ist wie mit dem Fitnessstudio in dem du wegen der Gewohnheit und vielleicht wegen dem schlechten Gewissen Mitglied bist. Du glaubst nicht mehr dran dass du jemals wieder abnehmen wirst und willst dennoch irgendwie nicht austreten.
Doch im Endeffekt bringt es dir nichts wenn du drin bleibst. Ich habe meinen Austritt jedenfalls nicht bereut.
Ich glaube nicht, dass aus mir noch einmal ein gläubiger Mensch wird.