Buchrezension Nr. 22 Wolfgang Herrndorf „Tschick“

Buch Kopf buch-brille

Titel: Tschick

Autor: Wolfgang Herrndorf

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Allgemeines zum Autor

Wolfgang Herrndorf (* 12. Juni 1965 in Hamburg; † 26. August 2013 in Berlin) war eindeutscher Schriftsteller, Maler und Illustrator.

Herrndorf studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Er arbeitete als Illustrator und Autor unter anderem für das Fanzine Luke & Trooke, denHaffmans Verlag und die Satirezeitschrift Titanic.

2002 erschien sein Debütroman In Plüschgewittern im Zweitausendeins-Verlag, bei dem es sich (obwohl der Protagonist knapp 30-jährig ist) laut Herrndorf um einen „Adoleszenzroman“ handelt. Von der Kritik wurde der Roman der Popliteraturzugeordnet, eine überarbeitete Fassung von In Plüschgewittern erschien 2008 als Taschenbuch im Rowohlt Verlag. 2007 brachte der Eichborn Verlag unter dem TitelDiesseits des Van-Allen-Gürtels eine Reihe zusammengehöriger KurzgeschichtenHerrndorfs heraus; im selben Jahr erschien im SuKuLTuR-Verlag ein von Herrndorf erfundenes Interview mit einem (nicht vollkommen vertrauenswürdigen)Kosmonauten, das Science-Fiction-Elemente enthält. Der unzuverlässige Erzählerist ein wiederkehrendes Element in Herrndorfs Prosa, das auf den Einfluss Vladimir Nabokovs zurückgeht.

Sein großer schriftstellerischer Erfolg begann im Jahre 2010 mit der Veröffentlichung von Tschick, einem Bildungsroman, dessen Protagonisten etwa 14 Jahre alt sind. Das Buch stand über ein Jahr lang auf der deutschen Bestsellerliste. Im November 2011 erschien der Roman Sand, der Merkmale des Kriminalromans, des Gesellschaftsromans und des historischen Romans vereinigt. Laut Herrndorf wäre es auch möglich, Sand dem „Genre des Trottelromans“ zuzuordnen. Nachdem 2011 bereits Tschick für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert gewesen war, wurde Herrndorf dieser Preis 2012 für Sand schließlich zugesprochen. Den Preis nahm in Vertretung sein Freund Robert Koall entgegen. Im selben Jahr gelangte Sand auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Herrndorf, der in Berlin lebte, schrieb regelmäßig im Internetforum Wir höflichen Paparazzi und beteiligte sich mit Beiträgen am Weblog Riesenmaschine. Er war Mitglied der Autoren-Fußballnationalmannschaft Autonama.

Nachdem bei ihm im Februar 2010 ein bösartiger Hirntumor (Glioblastom) festgestellt worden war, begann Herrndorf ein digitales Tagebuch, das Blog Arbeit und Struktur, in dem er über sein Leben mit der tödlichen Krankheit berichtete. Es erschien posthum im Dezember 2013 bei Rowohlt in Buchform, wie es sich der Autor gewünscht hatte.

Herrndorf tötete sich am 26. August 2013 in Berlin selbst. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt (Abt. 7-2-7).

2014 veröffentlichte Rowohlt die Fortsetzung von Tschick aus der Sicht von Isa als unvollendeten Roman unter dem Namen Bilder deiner großen Liebe. Im Nachwort von Kathrin Passig und Marcus Gärtner steht, Herrndorf habe selbst noch der Veröffentlichung zugestimmt und auch den Titel selbst festgelegt.

Allgemeines zum Buch

Das Buch handelt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem 14-Jährigen aus bürgerlichen Verhältnissen und einem verwahrlosten jugendlichen Spätaussiedler aus Russland. Das Werk wurde 2010 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, 2011 mit dem Clemens-Brentano-Preis und 2012 mit dem Hans-Fallada-Preisausgezeichnet. Das in 24 Sprachen übersetzte Buch hatte sich bis Juni 2013 allein in Deutschland über 1 Mio. Mal verkauft

Mutter in der Entzugsklinik, Vater mit der Assistentin auf Geschäftsreise. Maik Klingenberg wird die großen Ferien alleine am Pool der elterlichen Villa verbringen.  Doch dann kreuzt Tschick auf. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, kommt aus einem der Asi-Hochhäuser in Hellersdorf, hat es von der Förderschule irgendwie auf das Gymnasium geschafft und wirkt doch nicht gerade wie der das Musterbeispiel der Integration. Außerdem hat er einen geklauten Wagen zur Hand. Und damit beginnt eine unvergessliche Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende deutsche Provinz.

Inhaltsangabe

Maik Klingenberg, 14 Jahre alt und aus einem zwar wohlhabenden, aber zerrütteten Elternhaus in Hellersdorf, einem Stadtteil von Ost-Berlin, ist in seiner Klasse ein Außenseiter. Deshalb wird er zu Beginn der Sommerferien auch nicht zum Geburtstag der Klassenschönheit Tatjana Cosic eingeladen, in die er heimlich verknallt ist. Er gilt einfach als zu langweilig. Eines der wenigen Male, bei dem er in seiner Klasse auffällt, ist der Moment, als er im Deutschunterricht seinen Aufsatz vorliest, in dem er mit frappierender, aber liebevoller Offenheit von seineralkoholkranken Mutter erzählt. Der Lehrer ist entsetzt, die Klasse lacht und nennt ihn seitdem Psycho. Niemand versteht, wie man so ungeschminkt über seine Mutter schreiben kann.

Auch der neue Mitschüler Tschick (eigentlich Andrej Tschichatschow), ein wortkarger russischer Spätaussiedler, der hin und wieder sichtlich betrunken zum Unterricht erscheint, ist ein Außenseiter. Und auch er wird von Tatjanas Geburtstagsparty ausgeschlossen. Maik, der bis zuletzt hofft, doch noch eingeladen zu werden, zeichnet als Geschenk für Tatjana in mühevoller Arbeit mit Bleistift einBeyoncé-Poster aus einer Zeitschrift ab. Doch der letzte Schultag kommt, ohne dass etwas geschieht. Obendrein wird klar, dass Maiks Mutter mal wieder in die Entzugsklinik muss und sein Vater die Zeit nutzen will, um mit seiner jungen Assistentin in Urlaub zu fahren. Maik wird die Sommerferien also allein verbringen müssen. Da erscheint plötzlich Tschick mit einem gestohlenen, klapprigen, hellblauen Lada Niva vor der Haustür. Tschick schlägt Maik vor, gemeinsam zu seinem Großvater in die Walachei zu fahren. Obwohl beide nicht genau wissen, wo die eigentlich liegt, sagt Maik nach kurzem Zögern zu, und eine Reise ins Ungewisse beginnt. Zunächst jedoch fahren die beiden noch bei Tatjanas Geburtstagsparty vor, und Maik übergibt seinem Schwarm, von Tschick ermutigt, das Geschenk, bevor die beiden wieder Gas geben und die verblüfften Partygäste im Rückspiegel zurücklassen.

Landkarten haben sie nicht mitgenommen, so verfahren sie sich bald irgendwo im Wald und landen schließlich in einem kleinen Dorf bei einer konsumkritisch angehauchten Mutter mit fünf Kindern, die sich nicht nur bestens mit Harry Potterauskennen, sondern sie auch als Gäste an ihrem köstlichen Öko-Mittagessen im Garten teilnehmen lassen. Auf ihrer weiteren Odyssee kreuz und quer durch den wilden deutschen Osten treffen sie später, als sie auf einer Müllkippe nach einem Schlauch suchen, um Benzin für ihren Lada aus anderen Wagen absaugen zu können, auf die burschikose Isa Schmidt, ein gleichaltriges Mädchen, das ihnen nicht nur zeigt, wo man das Gesuchte findet, sondern auch, wie man damit umgeht. Isa möchte nach Prag, um dort ihre Halbschwester zu besuchen, und muss nun, obwohl völlig verdreckt und so bestialisch stinkend, dass es die Jungen kaum aushalten können, wohl oder übel von den beiden mitgenommen werden.

An einem Stausee angekommen, werfen sie Isa kurzerhand ins Wasser, damit sie sich waschen und ihren Gestank loswerden kann. Freimütig wirft sie ihre alten Klamotten weg, reinigt sich gründlich und zieht sich anschließend ein paar von Maiks Kleidungsstücken über. Als dieser ihr dann auch noch die Haare rattenkurz schneiden darf, entdeckt er bei dieser Gelegenheit nicht nur ihren wohlgeformten nackten Oberkörper, sondern auch, dass seine alte Liebe zu Tatjana allmählich zu verblassen beginnt. Am nächsten Morgen beschließen die drei, den nächsten Berg zu besteigen. Auf dem Gipfel genießen sie die herrliche Natur und romantische Stimmung, schnitzen ihre Initialen in ein Stück Holz und geloben, sich dort oben in genau 50 Jahren wiedertreffen zu wollen.

Als sie absteigen und auf dem Parkplatz gerade ein Reisebus hält, glaubt Isa mit dem Bus besser als mit dem alten Lada nach Prag kommen zu können. Sie borgt sich von Maik kurzerhand das nötige Fahrgeld von 30 € und lässt die beiden allein weiterfahren. Sie landen am Krater eines riesigen Braunkohleabbaugebiets und treffen auf den letzten dort verbliebenen, offenbar senilen Einwohner Horst Fricke, der sie zur Begrüßung mit seinem Luftgewehr beschießt, dann aber auf eine Limonade einlädt und ihnen von seinen tragischen Verlusten (z.B. seiner Liebe) und traumatischen Erfahrungen im KZ und an der Ostfront erzählt. Zum Abschied nötigt er ihnen ein geheimnisvolles, kleines Fläschchen mit einer übel riechenden, aber angeblich lebensrettenden Flüssigkeit auf. Als sie ihre Fahrt schließlich auf kleinen Nebenstraßen fortsetzen können, entdecken sie von einem Hügel aus plötzlich die Autobahn neben sich. Beim Versuch, vom Abhang auf die Autobahn zu gelangen, überschlagen sie sich mehrmals, und ihr Lada bleibt mit den Rädern nach oben liegen. Eine zufällig in ihrem 5er BMW vorüberfahrende Sprachtherapeutin, die Tschick beim Versuch, Hilfe zu leisten, ihren Feuerlöscher auf den Fuß fallen lässt und ihn dabei schwer verletzt, bringt sie ins nächste Krankenhaus, wo Tschick ein Gipsbein verpasst bekommt. Vom Krankenhauszimmerfenster aus beobachten die beiden, wie ein Abschleppfahrzeug ihren Lada, der auf einem Feld direkt gegenüber dem Krankenhaus liegt, wieder aufrichtet, dann jedoch stehen lässt und davonfährt. Erneut zur Flucht entschlossen, schleppen sich die beiden hinüber zu ihrem schrottreifen Fahrzeug. Da Tschick mit seinem Gipsbein nicht mehr fahren kann, muss nun Maik ans Steuer. Tschick gibt ihm die nötigen technischen Instruktionen. Nebenbei offenbart er seinem Freund, dass er schwul sei, Maik allerdings nicht zu seiner Zielgruppe gehöre. Bald schon endet ihre Reise in einem gefährlichen Auffahrunfall, da der Fahrer eines Viehtransports sie nicht überholen lassen will, dabei ins Schleudern gerät, umkippt und quer auf der Fahrbahn liegen bleibt. Nach einem gründlichen Verhör auf der Polizeiwache kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, bei der Maik – entgegen den mit Drohungen unterlegten Ratschlägen seines Vaters – seine Beteiligung zwar ungeschönt zugibt, Tschick aber alle „Schuld“ auf sich nimmt. Maik wird zur Ableistung einergemeinnützigen Arbeit, Tschick zum Verbleib in dem Heim, in das man ihn nach ihrer Reise gebracht hat, verurteilt.

Der Roman endet mit dem Wiederbeginn der Schule und nimmt seine Anfangsmotive wieder auf: 1) Die schöne Tatjana interessiert sich plötzlich für Maiks Abenteuer und sorgt mit ihrem Interesse dafür, dass seine Geschichte in Kurzform die gesamte Klasse erreicht. 2) Die verführerische Isa schreibt ihm eine Postkarte und will ihn demnächst in Berlin besuchen, das geliehene Geld zurückbringen und die versäumten Küsse nachholen. 3) Maiks gewalttätiger Vater hat die Familie endgültig verlassen. Am wichtigsten aber: 4) Tschicks vierwöchige Kontaktsperre ist demnächst abgelaufen, und Maik darf ihn bald im Heim besuchen. Da stört es ihn auch nicht weiter, dass die Mutter, immer noch alkoholabhängig, gerade dabei ist, ihr gesamtes bürgerliches Inventar im hauseigenen Swimmingpool zu versenken. Im Gegenteil, Mutter und Sohn tauchen gemeinsam unter, hocken sich auf den Grund des Beckens, halten die Luft an, blicken nach oben und freuen sich über die zwei von den Nachbarn alarmierten Polizisten, die sich ratlos über die blubbernde Wasseroberfläche beugen.

Was Ich von dem Buch halte

Ja, was soll man zu dem Buch sagen?

Ein Jugendbuch doch lesbar von 9-99! Wirklich.

Die Geschichte der beiden ungleichen Protagonisten die das Abenteuer Ihres Lebens erleben und dabei so viel über das Leben lernen und erkennen dass Ihre derart verschiedenen Herkünfte doch keine so grossen Unterschiede bedingen als man auf den ersten Blick vermuten will.

Einfühlsam schildert der Autor das Gefühlsleben von Maik und Tschick auf Ihrer Reise durch die Republik. Abenteuer müssen überwunden werden, skurile Gesellen trifft man, das tragische Ende, all das verknüpft Herrndorf zu einem Meisterwerk der deutschen Literatur.

Ein Muss!

Fazit

Dieses Buch kann Ich wirklich nur jedem ans Herz legen. Ein Buch das für die Jugend geschrieben ist aber kein Ablaufdatum hat.

Wertung

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3 Comments

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3 Responses to Buchrezension Nr. 22 Wolfgang Herrndorf „Tschick“

  1. Max

    Von Herrndorf hab ich alles gelesen. Das meiste fand ich Spitze, eben genau meine Wellenlänge! Echt schade, dass er so früh verstorben ist.

  2. Ja, aber sei gewarnt: Seine anderen Werke sind halt gänzlich anders gestrickt! Da sollte man dann nichts in der Art von Tschick erwarten, sonst ist man enttäuscht. „In Plüschgewittern“ (cool, sein erstes Buch und für mich der beste Herrndorf) oder besonders „Sand“ – (Thriller, raffinierter Plot, recht anspruchsvoller Stoff). Auch im Erzählungsband „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ waren einige gute Storys drin.

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